Der stille Tsunami: Hohe Nahrungsmittelpreise treffen alle Kontinente
100 Millionen neue Hungernde befürchtet - erste WFP-Operation vor dem Aus
London - Die hohen Nahrungsmittelpreise drohen mehr als 100 Millionen Menschen auf allen Kontinenten in den Hunger zu treiben. Das UN World Food Programme (WFP) hat heute bekannt gegeben, dass dieser „stille Tsunami“ die größte Herausforderung in der 45-jährigen Geschichte der Organisation sei. WFP muss in wenigen Tagen die ersten Programme einstellen, da sie auch aufgrund der gestiegenen Preise nicht mehr zu finanzieren sind.
„Dies ist das neue Gesicht des Hungers - Millionen Menschen, die vor sechs Monaten noch nicht unter akutem Hunger leiden mussten, tun es nun“, sagte WFP-Exekutivdirektorin Josette Sheeran in London, wo sie heute Regierungsvertreter trifft und vor dem Parlament sprechen wird.
„Diese Herausforderung macht eine umfassende Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf höchster Ebene erforderlich, die sich auf den akuten Notfall und auf langfristige Problemlösungen bezieht.“
Analysen des WFP unterstützen die Einschätzung der Weltbank, nach denen etwa 100 Millionen Menschen aufgrund der hohen Nahrungsmittelpreise weiter verarmen und vom Hunger bedroht sein werden. WFP plant in der kommenden Woche neue Zahlen darüber zu veröffentlichen, wie viele Mensche nun zusätzlich an Hunger leiden.
Sheeran sagte, dass die hohen Preise für Nahrungsmittel eine gemeinsame Antwort der Weltgemeinschaft nötig machen, ähnlich wie nach dem Tsunami im Indischen Ozean 2004, der 250.000 Menschen das Leben kostete und mehr als 10 Millionen Menschen mittellos zurückließ. Die Geber, darunter Regierungen, Unternehmen und Privatpersonen, stellten damals rekordverdächtige 12 Milliarden US-Dollar für den Wideraufbau zur Verfügung.
„Wir brauchen erneut eine solche Großzügigkeit“, sagte Sheeran. „Was wir jetzt beobachten, betrifft sogar mehr Menschen auf jedem Kontinent, zerstört mehr Lebensgrundlagen und der Hunger wird Kinder ihr ganzes Leben lang beeinträchtigen.“
Zusammen mit seinen Partnern wird WFP daher einen dreistufigen Plan für Gegenstrategien befolgen:
- kurzfristig will WFP die Finanzierung von Projekten zur Ernährungssicherheit und von Mutter-Kind-Gesundheitsprogrammen in Notsituationen sicherstellen, sowie Schulspeisungsprogramme ausbauen und diese als Basis für dringende Interventionen benutzen;
- mittelfristig wird WFP seine große logistische Kapazität Hilfsorganisationen zur Verfügung stellen, um lebensrettende Maßnahmen zu unterstützen - jeden Tag transportieren im Auftrag des WFP 30 Schiffe auf hoher See, 5.000 Lastwagen und 70 Flugzeuge Nahrungsmittel zu den Hungernden; WFP wird außerdem weiterhin lokal von Kleinbauern einkaufen, um ihnen Investitionen zu ermöglichen sowie seine Geld- und Gutscheinprogramme ausbauen;
- langfristig wird WFP Reformen unterstützen, technische Hilfe leisten und Regierungen beraten, die landwirtschaftliche Entwicklungsprojekte betreiben; gleichzeitig wird WFP weitere langfristige Verträge mit Bauern in Entwicklungsländern schließen, um ihnen höhere Investitionen und Ernten zu ermöglichen.
Sheeran betonte, dass Kooperationen bei der Bekämpfung dieses Notfalls entscheiden sein werden. WFP arbeitet mit Regierungen der Geberländer, UN-Organisationen sowie über 3000 Nichtregierungsorganisationen zusammen, um eine koordinierte Vorgehensweise zu entwickeln.
Die Dringlichkeit der Situation unterstreicht die Entscheidung von WFP, unter anderem sein Schulspeisungsprogramm für 450.000 Kinder in Kambodscha ab Mai einzustellen, solange keine neuen Gelder dafür bereit gestellt werden. Die Helfer des WFP stehen in insgesamt 78 Ländern vor ähnlich schwierigen Entscheidungen.
Das UN World Food Programme (WFP) ist die größte humanitäre Organisation der Welt. Unsere Nahrungsmittelhilfe wird 2008 mehr als 70 Millionen Hungernde in 80 Ländern unterstützen.