Haushalt 2025: Kürzungen bei internationaler Hilfe gefährden Deutschlands Sicherheit
Dramatische Einschnitte in humanitärer Hilfe: Deutschland fällt hinter 2019 zurück
„Im Entwurf fällt Deutschlands Engagement bei humanitärer Hilfe und langfristiger Hungerbekämpfung unter das Niveau von 2019 zurück. Es ist, als hätte es die Pandemie, die Kriege in der Ukraine, Sudan und im Nahen Osten nie gegeben. Wer sich über Extremismus und Migration Sorgen macht und international Regeln setzen will, muss sich als G7-Staat dort einbringen, wo Konflikte Not erzeugen, und Gesellschaften auseinanderfallen. Es braucht Engagement statt Rückzug, denn jede Krise, die wir heute ignorieren, kommt als teure Katastrophe zu uns zurück. Das Engagement Deutschlands, weltweit Krisen einzudämmen, muss im parlamentarischen Prozess mit Zahlen untermauert werden“, sagte Dr. Martin Frick, Direktor des WFP-Büros für Deutschland, Österreich und Liechtenstein.
Instabilität in Europas Nachbarschaft: Sahel, Sudan und Naher Osten in Gefahr
Schon jetzt zieht sich ein Gürtel der Instabilität über die Sahelzone, Sudan, das Horn von Afrika bis zum Nahen Osten. Programme der humanitären Hilfe müssen hier weiter Überleben sichern, zum Beispiel um die Ausbreitung einer Hungersnot in der regionalen Großkrise Sudan zu verhindern. Programme, die in den von Konflikt, Migration und Extremismus gebeutelten Sahel-Staaten langfristig Lebensgrundlagen und Perspektiven sichern und damit unter anderem Migration eindämmen und Alternativen zu Extremismus bieten, müssten ausgebaut werden. Im Haushaltentwurf werden die Budgettitel für diese Prioritäten jedoch überproportional gekürzt.
Kleine Budgettitel mit großer Wirkung
Die im Haushalt beabsichtigten Kürzungen der Gelder für solche Programme, haben in der fragilen europäischen Nachbarschaft ein erhebliches Destabilisierungspotenzial. Dazu Frick: „Diese vergleichsweise kleinen Budgetposten zusammenzustreichen, ist nicht nur unvernünftig, sondern angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Debatten fahrlässig. Vier Kilometer A100-Autobahnverlängerung in Berlin kosten mehr als der durchschnittliche jährliche Beitrag Deutschlands zum Welternährungsprogramm in den letzten fünf Jahren. Deutsche Gelder in der kurz- und langfristigen Hungerbekämpfung sind wichtiger Beitrag, um Überleben zu sichern und Gesellschaften zu stabilisieren – eine Investition auch in die Sicherheit Deutschlands.“
Kürzungen treffen die Schwächsten: Frauen und Kinder zahlen den höchsten Preis
Die Folgen von fehlenden Mitteln bei eskalierenden Konflikten und steigender Not sind schon jetzt dramatisch. Die Hälfte aller WFP-Operationen weltweit musste Programme streichen. Die Konsequenz sind weniger Nahrungsmittelverteilungen in Krisengebieten, geringere Rationen oder Kürzungen bei der Zahl der Menschen, die unsere Hilfe erhalten.
Zum Beispiel musste WFP 2023 in Afghanistan rund 10 Millionen Menschen die Ernährungshilfe streichen. In Syrien waren es 4,5 Millionen – 82% des Programms, das ursprünglich fünf Millionen Menschen mit Nahrungshilfe versorgte. Evaluationen in mehreren, von Kürzungen betroffenen Ländern, einschließlich Afghanistan und Syrien, verdeutlichen, welche negativen Kurz- und Langzeiteffekte die Streichungen besonders für Frauen und Kinder haben. Weniger Ernährungshilfe hat laut den Studien zur Folge, dass weniger Kinder zur Schule gehen und stattdessen harte Arbeit leisten müssen, um beim Familieneinkommen zu helfen. Mädchen werden verheiratet, um sie finanziell abzusichern und weniger Familienmitglieder ernähren zu müssen. Betteln, Verschuldung, Kriminalität bis hin zu sexueller Ausbeutung im Austausch für Nahrung nehmen als Bewältigungsstrategien zu. Das drängt vulnerable Gruppen, wie zum Beispiel Frauen in Afghanistan weiter ins gesellschaftliche Aus. Deutschland muss jetzt entscheidend gegensteuern, um seiner Verantwortung im weltweiten Kampf gegen den Hunger gerecht zu werden und eigene sicherheitspolitischen Interessen zu wahren.
Anmerkung für Redakteur*innen:
Zahlen im Detail: Scharfe Einschnitte bei der Hungerbekämpfung und Krisenbewältigung
Die Bundesregierung plant die humanitäre Hilfe zum dritten Mal in Folge zu reduzieren, wobei die Unterstützung seit 2022 um 67 Prozent bzw. zwei Milliarden Euro gekürzt wurde. Für 2024 sind 2,23 Milliarden Euro vorgesehen, aber für 2025 ist eine weitere Kürzung auf 1,04 Milliarden Euro geplant, was einem Rückgang von 53 Prozent bzw. 1,19 Milliarden Euro entspricht.
Auch das Budget des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) soll zum dritten Mal in Folge um fast eine Milliarde Euro gesenkt werden. Besonders stark betroffen sind die Mittel für Krisenbewältigung und Ernährungssicherheit. Die Gelder für Krisenbewältigung sollen im Etat des BMZ von 1,04 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf 645 Millionen Euro im Jahr 2025 reduziert werden, was einem Rückgang von 38 Prozent bzw. 395 Millionen Euro entspricht. Zudem wird der Kernbeitrag für WFP von 58 Millionen Euro im Jahr 2024 auf 28 Millionen Euro im Jahr 2025 gesenkt, was einem Rückgang von 52 Prozent bzw. 30 Millionen Euro entspricht.
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Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) ist die größte humanitäre Organisation der Welt im Kampf gegen den Hunger. Wir retten Leben in Notfällen und ebnen mit Ernährungshilfe den Weg zu Frieden, Stabilität und Wohlstand für Menschen, die von Konflikten, Katastrophen und den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind.
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