Somalia versinkt immer tiefer im Abgrund
Sicherheitslage behindert Hilfe - Nahrungsmittelpreise dramatisch gestiegen - WFP: Mehr internationales Engagement erforderlich
Nairobi - Hunderttausende Frauen und Kinder sind vor den Kämpfen in Somalia auf der Flucht. Das UN World Food Programme hat heute vor einer weiteren Verschlechterung der humanitären Situation im Land gewarnt, zumal die Sicherheitslage in einigen Gebieten den humanitären Helfern unmöglich mache, die Flüchtlinge zu erreichen.
„Die internationale Gemeinschaft muss Somalia ganz oben auf die Tagesordnung bringen und sich für einen Wandel einsetzen, bevor es zu spät ist“, sagte Peter Goossens, WFP-Landesdirektor für Somalia. „Wir fordern alle Behörden in Somalia auf, uns zu helfen die Bedürftigen zu erreichen. Wir bitten unsere Geber, dieses Land nicht aufzugeben.“
„Alle Anstrengungen im Sicherheits- und im politischen Bereich müssen dringend verstärkt werden“, sagte Goossens. Er fügte hinzu, dass ein umfassender politischer Prozess, der zu nationaler Versöhnung führt, die Grundlage für eine dauerhafte Lösung des seit 1991 andauernden Konfliktes sei.
„Wenn nicht sehr bald gehandelt wird, um die Sicherheitslage zu verbessern, könnte die Welt eine ganze Generation somalischer Kinder aufwachsen sehen, die nichts anderes als den Krieg kennen“, sagte Goossens.
WFP warnte, dass der fehlende Zugang zu den Bedürftigsten in Mogadischu unhaltbare Konsequenzen hätte. Die Hauptstadt Somalias ist von steigenden Nahrungsmittel- und Benzinpreisen betroffen. Diese steigenden Preise treffen die ärmsten Familien am stärksten in einer Zeit, in der sie ohnehin schon ums Überleben kämpfen mussten.
In diesem Jahr haben die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Anti-Regierungs-Kräften mehr als 20.000 Menschen pro Monat zur Flucht aus Mogadischu gezwungen. Insgesamt 700.000 Menschen sind 2007 aus der Hauptstadt geflohen, darunter vor allem Frauen und Kinder.
Die internationale Gemeinschaft muss Somalia ganz oben auf die Tagesordnung bringenWFP-Landesdirektor Peter Goossens
Die Kämpfe in der Hauptstadt haben den Hunger weit verbreitet und Leid verursacht. Detaillierte Untersuchungen zur Ernährungslage der Bevölkerung können in Mogadischu nicht durchgeführt werden. Trotz der prekären Sicherheitslage werden weiterhin warme Mahlzeiten, zubereitet aus WFP-Beständen, täglich an durchschnittlich 52.000 Menschen in Mogadischu verteilt – 90 Prozent der Empfänger sind Frauen und Kinder. Dies ist das erste Programm dieser Art in Somalia seit der Hungersnot 1992-93. Nahrungsmittelhilfe erreicht auch den Großteil bedürftiger Menschen außerhalb der Hauptstadt.
Für humanitäre Organisationen gilt Somalia als der schwierigste Einsatzort der Welt. Mitarbeiter des WFP und die Empfänger riskieren täglich ihr Leben. Außerhalb Mogadischus haben Kämpfe WFP-Mitarbeiter dazu gezwungen, bestimmte wichtige Regionen zu verlassen.
WFP benötigt dringend 10 Millionen US-Dollar bis Juli dieses Jahres um 1,5 Millionen Menschen in Somalia mit Nahrungsmitteln zu versorgen. WFP warnt davor, dass es ohne neue Zuwendungen ab April keine Hülsenfrüchte, ab Mai kein Getreide und kein Speiseöl sowie ab Juni kein Soja mehr verteilen kann. Die Zahl der Menschen, die in Somalia dringend auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, ist zugleich jüngst auf 2,1 Millionen Bedürftige gestiegen.
Hintergrund:
Aufgrund heftiger Kämpfe zwischen Antiregierungskräften und Truppen der Übergangsregierung in Dinsor im Süden Somalias am 26. Februar, musste WFP Hilfslieferungen an 10.000 Bedürftige aussetzen. WFP musste einige Mitarbeiter aus der Stadt abziehen.
Nach mehreren Vorfällen in Südsomalia wurden sicherheitshalber am 4. März drei norwegische and ein einheimischer WFP-Mitarbeiter vorübergehend aus der Stadt Buale im Süden versetzt. Dort wird gerade ein weiteres WFP-Büro errichtet.
In den letzen Wochen sind mehrere einheimische und ausländische humanitäre Helfer in Somalia getötet oder entführt worden. Im Februar war der Leiter eines WFP-Hilfskonvois an einem illegalen Kontrollpunkt erschossen worden. Im Januar starben bei einer Explosion in Kismayo drei Mitarbeiter der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“.
Laut FAO sind derzeit vier Fünftel der aus Mogadischu geflohenen Menschen in Regionen, die bereits zuvor unter Nahrungsmittelknappheit litten – die Regionen Unteres und Mitteleres Shabelle sowie Hiran. Zwischen 70 und 90 Prozent der Vertriebenen sind arbeitslos. 80 Prozent erhalten keine Unterstützung von Freunden oder Verwandten, wodurch sie von Nahrungsmittelhilfe oder Gastfamilien abhängig sind.
Ernteausfälle und Hyperinflation haben die Lebensmittelpreise stark erhöht. Laut FAO lag der Preis für Reis in Zentralsomalia um 171 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt. In Shabelle stieg der Maispreis um 145 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und lag um 92 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.
Das UN World Food Programme (WFP) ist die größte humanitäre Organisation der Welt. Unsere Nahrungsmittelhilfe wird 2008 mehr als 70 Millionen Hungernde in 80 Ländern unterstützen.