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Südsudan: Über die Hälfte der Bevölkerung von Hunger bedroht.

Photo: WFP/Gabriela Vivacqua, Diese Frauen flohen aus ihrem Haus im Dorf Leer nach Nyal. Dort suchen tausende Vertriebene Schutz vor dem Konflikt im Südsudan.
Juba – Im Südsudan droht etwa 6,5 Millionen Menschen – mehr als der Hälfte der Bevölkerung – während des Höhepunkts der kommenden Hungersaison zwischen den Ernten (Mai-Juli) Hunger, warnten heute drei Organisationen der Vereinten Nationen.

Besonders besorgniserregend ist die Situation in Gebieten, die 2019 am stärksten von den Überschwemmungen betroffen waren. Dort hat sich seit vergangenem Juni die Ernährung der Menschen deutlich verschlechtert. Das geht aus dem heute von der südsudanesischen Regierung, der Food and Agriculture Organisation (FAO), dem United Nations Children's Fund (UNICEF) und dem UN World Food Programme (WFP) veröffentlichten Bericht zur sogenannten Integrated Food Security Phase Classification (IPC) hervor.

Am stärksten sind 20.000 Menschen in Akobo, Duk und Ayod gefährdet. Die drei Bezirke wurden im letzten Jahr von schweren Regenfällen heimgesucht. Jetzt droht den Menschen dort von Februar bis April extremer Hunger, der laut der IPC dem Level 5 von 5 und damit einer „Katastrophe“ entspricht. Humanitäre Hilfe ist dringend notwendig.

Es wird erwartet, dass der Hunger bis Juli immer schlimmer wird, vor allem in Jonglei, am Oberen Nil, in Warrap und im nördlichen Bar el-Ghazal. Dort ist die Ernährungslage von über 1,7 Millionen Menschen wegen der verheerenden Überschwemmungen und der geringen Nahrungsmittelproduktion als "Notlage" einzustufen (IPC-Level 4 von 5). Insgesamt werden dreiunddreißig Bezirke während der Hungersaison das Level einer "Notlage" erreichen. Im Januar waren 15 betroffen.  

Insgesamt hatten im Januar bereits 5,3 Millionen Südsudanesen Schwierigkeiten, sich selbst zu ernähren, oder befanden sich in einer "Krise" oder schlimmer (IPC-Level 3 und darüber).

„Trotz einiger saisonaler Verbesserungen in der Produktion von Nahrungsmitteln ist die Zahl der Hungernden nach wie vor gefährlich hoch und steigt weiter an. Hinzu kommt, dass wir es jetzt mit Wüstenheuschreckenschwärmen zu tun haben, die dies noch verschlimmern könnten. Es ist wichtig, dass wir unsere Unterstützung für die Menschen im Südsudan aufrechterhalten und ausweiten, damit sie ihre Lebensgrundlage und die Nahrungsmittelproduktion wieder aufnehmen oder verbessern können. Wir müssen zudem die Fähigkeit der Regierung stärken, auf den Heuschreckenausbruch zu reagieren", sagte Meshack Malo, FAO-Vertreter im Südsudan.

Es wird erwartet, dass sich der Hunger ab Februar noch weiter verschärft, weil die Nahrungsmittelvorräte erschöpft und die Preise hoch sind. Insgesamt werden die Überschwemmungen und die damit verbundene Vertreibung der Bevölkerung, Unsicherheit, die Wirtschaftskrise, geringe Ernten und die jahrelange Erschöpfung der Ressourcen die Menschen weiterhin hungern lassen.

„Die Ernährungssituation der Menschen ist schrecklich", sagte Matthew Hollingworth, WFP-Landesdirektor im Südsudan. „Jegliche Verbesserungen, die gemacht wurde, haben die Überschwemmungen Ende 2019 wieder zerstört, insbesondere in den am schwersten zu erreichenden Gemeinden. Aber das Land befindet sich in einem entscheidenden Moment. An diesem Samstag soll die Regierung der nationalen Einheit gebildet und die Waffen dauerhaft zum Schweigen gebracht werden. Wir müssen noch mehr tun, um die dringenden Bedürfnisse der Schwächsten zu erfüllen und um sicherzustellen, dass sich die Gemeinschaften im ganzen Land erholen können, damit sie in Zukunft unvermeidliche Klimaschocks überstehen.“

Der Bericht stellt auch fest, dass sich die Ernährung im Land verbessert hat, weil es relativ stabil und friedlich war. Es wird davon ausgegangen, dass die bevorstehende Hungerzeit zwischen den Ernten etwas weniger gravierend als im Vorjahr ausfallen sollte. Damals befanden sich 6,9 Millionen Menschen in einer "Krise" oder schlimmer (IPC-Level 3 und darüber).

Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens im September 2018 ist beispielsweise die Getreideproduktion um 10 Prozent gestiegen und ein stabileres Umfeld ermöglichte es einigen Bauern, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. In Verbindung mit günstigen Regenfällen hat das zu einer gestiegenen Nahrungsmittelproduktion geführt.

 

1,3 Millionen mangelernährte Kinder

Der Bericht schätzt, dass 2020 rund 1,3 Millionen Kinder an akuter Mangelernährung leiden werden.

Von 2019 bis 2020 hat sich die Zahl von akut mangelernährten Kindern im ganzen Land von 11,7 auf 12,6 Prozent leicht erhöht. In Bezirken, die von Überschwemmungen betroffen sind, ist der Anstieg signifikant höher – etwa von 19,5 auf 23,8 Prozent in Jonglei und von 14 auf 16,4 Prozent im Oberen Niel. Ursachen hierfür sind die geringe Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und eine hohe Krankheitsrate. Letztere ist vor allem auf kontaminiertes Wasser und steigende Malariainfektionen durch stehendes Wasser zurückzufuhren.

„Über die Jahre hinweg konnten wir Mangelernährung mit Hilfe von Gebern erfolgreich behandeln. Mit Unterstützung von UNICEF und seinen Partnern erhielten 92 Prozent der Kinder Hilfe, die an schwerer Mangelernährung litten. Über 9 von 10 Kinder haben sich vollständig erholt. Dennoch sollten diese Kinder erst gar nicht an Mangelernährung leiden müssen. Zugang zu ausreichend und gesundem Essen, Wasser, sanitären Einrichtungen, Hygiene und Gesundheitsleistungen sind Menschenrechte und wichtig, um Mangelernährung zu verhindern. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel mit einem sektorenübergreifenden Ansatz für Mangelernährung, um sicherzustellen, dass wir Mangelernährung genauso gut verhindern wie behandeln können“, sagt Mohamed Ag Ayoya, UNICEF-Vertreter im Südsudan.

 

Auf die Krise reagieren

FAO unterstütze 2019 3,5 Millionen Menschen im Südsudan mit Nothilfe für ihre Lebensgrundlagen – darunter Getreidesamen, landwirtschaftliche Geräte sowie Fischereiausrüstung – und behandelte oder impfte knapp 8 Millionen Tiere. Außerdem half FAO über 60.000 Familien, die von den Überschwemmungen betroffen sind, ihre Lebensgrundlage wiederaufzubauen. Dieses Jahr will FAO die Nahrungsmittelproduktion erhöhen und Lebensgrundlagen durch die Verteilung von Getreidesamen, landwirtschaftlichen Geräten, Fischereiausrüstungen und Erntesets schützen. Die bedürftigsten Menschen sollen mit Bargeldtransfers unterstützt werden. Außerdem führt FAO Impfungen und andere tierärztliche Leistungen durch, um über 3 Millionen Tiere vor Krankheiten und Mangelernährung zu schützen. Damit FAO 2020 auf die Krise reagieren kann, werden 75 Millionen US-Dollar benötigt.

2019 haben UNICEF und seine Partner 200.000 südsudanesischen Kindern – so vielen wie nie zuvor – geholfen, sich von schwerwiegender Mangelernährung zu erholen. Für 2020 ist ein Paradigmenwechsel mit einem stärker sektorübergreifenden Ansatz erforderlich, um durch rechtzeitige ernährungsspezifische und -sensible Interventionen an kritischen Punkten im Leben von Kindern Mangelernährung drastisch zu reduziert. UNICEF benötigt 253 Millionen US-Dollar, um mehr mangelernährte Kinder sektorübergreifend zu behandeln.

WFP plant in diesem Jahr rund 5 Millionen Menschen zu unterstützen – mit lebensrettender Nothilfe, Ernährungshilfe zum Wiederaufbau von Gemeindegütern, Schulmahlzeiten und angereicherter Spezialnahrung für mangelernährte Kinder sowie schwangere und stillende Frauen. In den nächsten sechs Monaten benötigt WFP für die geplante Hilfe dringend 208 Millionen US-Dollar. Vor der nächsten Regenzeit im Mai plant WFP, 190.000 Tonnen Nahrungsmittel in mehr als 60 Lagerhäusern vorzulagern. Dadurch können Transportkosten gesenkt werden, weil viele Gebiete später nicht mehr über den Landweg, sondern nur noch über kostspielige Luftabwürfe erreichbar sind.

 

Zum vollständigen IPC-Bericht: http://www.ipcinfo.org/fileadmin/user_upload/ipcinfo/docs/IPC_SouthSudan_AFI_AMN_2020Jan2020July.pdf

 

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Das UN World Food Programme (WFP) ist die weltweit größte humanitäre Organisation. WFP rettet Leben in Notfällen und schafft Grundlagen für eine nachhaltige Zukunft für Menschen, die von Konflikten, Katastrophen und den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. 

Kontakt

Bettina Luescher

WFP-Chefsprecherin Berlin

Tel. +49 30 20 614929

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