Hungersnöte: Wie WFP gegen diese andere tödliche Pandemie kämpft
Heute stehen 34 Millionen Menschen auf der ganzen Welt am Rande einer Hungersnot – und der kleinste Schock könnte sie in den Abgrund reißen. Das UN World Food Programme (WFP) arbeitet rund um die Uhr, um Hungersnöte abzuwenden. Doch damit das möglich ist, brauchen wir dringend 5,5 Milliarden US-Dollar. Wenn wir angesichts des wachsenden Hungers tatenlos bleiben, kostet das unweigerlich Menschenleben.
Tragischerweise ist es zu dem Zeitpunkt, an dem eine Hungersnot ausgerufen wird, schon zu spät. Tausende Menschen sterben bereits an Hunger. Der Jemen, Südsudan und der Norden Nigerias sind die am stärksten betroffenen Länder. Laut dem neuen Hunger-Hotspots-Bericht von WFP und der Food and Agriculture Organization (FAO) nimmt der akute Hunger dort katastrophale Ausmaße an.
Aber welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Warum existiert Hunger im 21. Jahrhundert überhaupt noch, in dem Nahrung im Überfluss vorhanden ist? Und wie können wir es schaffen, dass Hunger endgültig der Vergangenheit angehört?
Was ist eine Hungersnot?
Eine Hungersnot wird dann ausgerufen, wenn Mangelernährung weit verbreitet ist und wenn Menschen aufgrund des fehlenden Zugangs zu ausreichender, nahrhafter Nahrung zu verhungern beginnen. Ungleichheit ist ein entscheidender Faktor. Vor allem niedrige Einkommen lassen Nahrungsmittel für Millionen Menschen unerschwinglich werden.
Wenn in einem Gebiet Nahrungsmittel bei mindestens 20 Prozent der Haushalte extrem knapp sind, mindestens 30 Prozent der Kinder an akuter Mangelernährung leiden und wenn täglich 2 Menschen pro 100.000 Einwohner*innen sterben, dann wird eine Hungersnot ausgerufen.
Doch in einer Welt, in der immer mehr Nahrungsmittel produziert werden, gibt es keinen Grund, dass immer noch Menschen dieses Schicksal erleiden müssen.
Wo wurden Hungersnöte ausgerufen?
Obwohl die meisten Menschen, die von Hunger betroffen sind, in den Ländern Afrikas leben, droht akuter Hunger in den meisten Weltregionen, vom Nahen Osten bis nach Lateinamerika, stark anzusteigen. Hungersnöte treten meist in Gebieten auf, in denen der Zugang für humanitäre Hilfe eingeschränkt ist. In Teilen von vier Ländern – Jemen, Südsudan, Burkina Faso und im Nordosten Nigerias – sind laut IPC, dem Integrated Food Security Phase Classification System, derzeit insgesamt 155.000 Menschen direkt vom Hungertod bedroht. In jedem dieser vier Länder schüren Konflikte, Unsicherheit und die daraus resultierende Vertreibung der Menschen akuten Hunger.
Mehr als 34 Millionen Menschen in Afghanistan, der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien, Haiti, Honduras, Nigeria, Südsudan, Sudan, Uganda, Venezuela, Jemen und Simbabwe befinden sich derzeit am Rande einer Hungersnot und sind vom Verhungern bedroht. Zum Vergleich: 2019 waren es noch 27 Millionen Menschen.
Bei ausreichender Finanzierung und Zugang besitzt WFP die Expertise, alle Menschen, die 2021 von einer Hungersnot bedroht sind, mit lebensrettender Ernährungshilfe zu unterstützen.
Warum gibt es immer noch Hungersnöte?
Heute sind Konflikte die Hauptursache von Hungersnöten, während der Klimawandel und die Folgen der COVID-19-Pandemie zu einem starken Anstieg der Hungerzahlen beitragen. Diese neuen Entwicklungen haben die Art und Weise, wie WFP Hungersnöte bewertet und darauf reagiert, dramatisch verändert.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Ausbreitung haben die Volkswirtschaften weltweit in Mitleidenschaft gezogen und Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit und Armut gestürzt. Dadurch stehen Regierungen und Geber weniger Mittel zur Verfügung, um die Nahrungsmittel- und Ernährungsbedarfe der am meisten gefährdeten Menschen zu decken.
Was tut das UN World Food Programme?
Für WFP ist das wirkungsvollste Instrument, um angesichts einer Hungersnot Leben zu retten, die Ernährungsnothilfe. Solange Länder von humanitären Notsituationen und akutem Hunger betroffen sind, wird diese Form der Hilfe – ob in Form von Sachleistungen oder Bargeld – entscheidend bleiben, um die direkten Auswirkungen von Hunger und Hungersnöten kurzfristig zu mildern oder abzuwenden. Im Jemen hat die bisher größte Aufstockung von WFP-Ernährungshilfe – von einer Million Menschen 2015 auf fast 13 Millionen 2019 – dazu beigetragen, vor 2 Jahren eine Hungersnot abzuwenden.
Dank der starken Präsenz vor Ort, dem Ausmaß der Hilfen und der über Jahrzehnte erworbenen Spitzenkompetenz im Kampf gegen den Hunger ist WFP in einer einzigartigen Position, um Hungersnöte im Keim zu ersticken. Mit Hilfe modernster Technologien zeigt WFP auf, wo sich die Lage rapide verschlechtert, und liefert Erkenntnisse, die die richtige Hilfe für Menschen in Not ermöglichen.
Im Südsudan und im Nordosten Nigerias hat WFP unter anderem einen sogenannten „Rapid Response Mechanism“ eingeführt, bei dem mobile Einsatzteams hungernde Menschen in abgelegenen, isolierten Gebieten erreichen. Die mobilen Einsatzteams, die in der Regel mit dem Hubschrauber unterwegs sind, registrieren die Menschen, damit WFP Nahrung, angereicherte Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter auf dem Landweg, über Flüsse oder per Luftabwurf transportieren kann, wenn es keine alternativen Wege gibt.
FAO und WFP warnen vor akutem Hunger in über 20 Ländern
WFP verfügt über die Logistik- und Lieferkettenkapazitäten, um riesige Mengen an Nahrungsmitteln dorthin zu transportieren, wo sie am dringendsten benötigt werden – im Extremfall mit Hilfe von Luftabwürfen und Lufttransporten. An einem beliebigen Tag sind 5.000 LKWs, 20 Schiffe und 92 Flugzeuge für WFP im Einsatz. Jedes Jahr kann WFP Menschen mit mehr als 15 Milliarden Nahrungsmittelrationen unterstützen.
Damit die Gefahr des Verhungerns beseitigt und eine Hungersnot gänzlich verhindert werden kann, sind längerfristige und komplexere Maßnahmen erforderlich. Das beinhaltet auch, die Bildung, Ernährung, die Widerstandsfähigkeit von Lebensgrundlagen und soziale Schutzsysteme wie Schulmahlzeitenprogramme zu stärken.
Was muss als Nächstes passieren?
Wir brauchen dringend 5,5 Milliarden US-Dollar, um alle Menschen, die 2021 von einer Hungersnot bedroht sind – das heißt mindestens 30 Millionen Menschen – mit lebensrettender Ernährungshilfe zu unterstützen. Das ist etwa ein Drittel unseres gesamten Finanzierungsbedarfs. Ohne diese Mittel können wir die Menschen, deren Leben von unserer Unterstützung abhängt, nicht erreichen. Im Jemen zum Beispiel muss WFP möglicherweise ab Juni die Ernährungshilfe für 1,1 Millionen Kinder und Mütter kürzen. Im Mai könnten 5 Millionen Menschen im Jemen von Kürzungen der Ernährungsnothilfe betroffen sein. Die Folgen könnten katastrophal sein.