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Kommentar: Familien, die im Jemen am Rande einer Hungersnot stehen, können nicht warten

Das UN World Food Programme (WFP) ruft zur lebenswichtigen Finanzierung und entschlossenem politischen Handeln auf, um den Teufelskreis aus Konflikten und Hunger zu durchbrechen
, Von Annabel Symington
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Hayat und ihre drei Töchter leben in einer Siedlung für Vertriebene im Mokha-Distrikt. Ihr Mann wurde getötet, als ihr Dorf, Al Barh in Taiz, dem Erdboden gleichgemacht wurde. Foto: WFP/Annabel Symington

Seit Jahren wird der Jemen als die schlimmste humanitäre Krise der Welt beschrieben. Dann, Ende 2020, schien es noch schlimmer zu werden: Analysen des Integrated Food Security Phase Classification (IPC)-Systems zeigten, dass zum ersten Mal seit zwei Jahren an einigen Orten im Land wieder Zustände einer Hungersnot herrschten. 

Mehr als die Hälfte aller Jemenit*innen – 16,2 Millionen Menschen – haben nicht ausreichend zu essen. Mehr als fünf Millionen sind unmittelbar von einer Hungersnot bedroht und fast 50.000 Menschen leben bereits unter Hungersnot-ähnlichen Bedingungen. Aber was bedeutet das eigentlich?

Für die 30-jährige Hayat, bedeutet das, dass sie sich ständig Sorgen macht, wie sie ihre drei kleinen Mädchen ernähren soll.

„Ich habe letzte Nacht geweint und darüber nachgedacht, woher ich für sie etwas Essen bekommen kann“, sagt sie, während sie in einem Zelt sitzt, das jetzt das Zuhause der Familie ist. 

„Meine Töchter wachen in der Nacht auf und fragen nach Essen. Ich muss ihnen sagen, dass ich kein Essen besorgen kann. Sie schlafen hungrig ein.“

Hayat floh 2018 aus ihrem Dorf in Taiz im zentralen Jemen, nachdem Luftangriffe ihr Dorf dem Erdboden gleichgemacht hatten. Ihr Haus wurde zerstört. Ihr Ehemann wurde getötet.

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„Ich konnte weder etwas zu essen finden noch meine Kinder ernähren“, sagt Hayat (30) über die Zeit als sie ihr Zuhause hinter sich ließen. „Ich kann dieses Gefühl des Hungers nicht in Worte fassen. Ich habe nur um meine Kinder geweint.“ Foto: WFP/Annabel Symington

Sie verkaufte die goldenen Armbänder, die ihr Mann ihren Töchtern, die jetzt vier und sieben Jahre alt sind, geschenkt hatte, um ein Auto zu bezahlen, mit dem sie in Sicherheit fliehen konnten. Zu der Zeit war Hayat mit ihrer dritten Tochter schwanger. 

„Mein Mann war ein Arbeiter. Das Leben war hart“, sagt sie und erinnert sich an ihr Leben vor dem Krieg. „Aber wenigstens war er an meiner Seite.“

Mit jedem Jahr des Konflikts ist das Leben für Hayat noch härter geworden.

Sie lebt jetzt in einer einfachen Siedlung in Mokha an der Küste des Roten Meeres.

Die einst blühende Hafenstadt trägt die Narben des sechsjährigen Konflikts im Jemen: Kinder, von denen zu viele nicht mehr zur Schule gehen, spielen in den Trümmern zerbombter Gebäude.

Informelle Camps sind entstanden, um Familien wie die von Hayat aufzunehmen, die durch den Konflikt vertrieben worden sind. Der Staub, den der unerbittliche Küstenwind aufwirbelt, ist brutal.

Hayat ist eine der knapp 13 Millionen Menschen im Jemen, die Hilfe von WFP erhalten. Das Mehl, Pflanzenöl, Hülsenfrüchte, Zucker und Salz von WFP sei alles, was sie hätte, sagt sie. Da sie keine Einkommensquelle hat, tauscht sie einen Teil ihrer WFP-Nahrungsmittel gegen andere Dinge wie Gemüse ein.  

WFP unterstützt außerdem 3,3 Millionen Kinder und Mütter mit besonders nährstoffreichen Nahrungsmitteln zur Behandlung und Vorbeugung von Mangelernährung und versorgt 1,55 Millionen Kinder mit täglichen Snacks in der Schule – ein lebenswichtiger Nahrungsbooster, der auch dazu beiträgt, dass sie weiterhin die Schule besuchen.

Ein paar Meilen südlich von Mokha liegt eine kleine Fischergemeinde namens Dhubab, in der Salem, seine Frau und sieben Kinder leben. Salem war vor dem Krieg ein Fischer. Er kam gut über die Runden. Aber als der Krieg begann, wurde die Fischereiindustrie zerstört: Die Küstenlinie ist vermint und die Hauptmärkte für Dhubabs Fischer*innen – Taiz und Hodeidah – liegen jetzt auf der anderen Seite der Frontlinien.

„Vor dem Konflikt gab es Möglichkeiten für Arbeit und wenn man reisen wollte, konnte man das. Aber mit dem Konflikt kann man nirgendwo hingehen“, sagt Salem, der jetzt ein kleines Einkommen mit dem Sammeln von Feuerholz verdient.

„Das Geld, das ich verdiene, reicht nicht aus, um meine Kinder zu unterstützen. An manchen Tagen bekommt man etwas [Geld] und an anderen Tagen nichts. Die Situation ist nicht gut, nicht so wie früher. Und jetzt sind wir so müde. Wir sind es so leid, dass es kein Essen gibt, keine Arbeit und dass wir nirgendwo hingehen können.“

Mit jedem weiteren Jahr des Krieges hat die Fähigkeit der Jemenit*innen, Schocks wie steigende Nahrungsmittelpreise zu überstehen, weiter geschwächt. Nachdem sie ihre Ersparnisse aufgebraucht und verkauft haben, was möglich war – Schmuck, Vieh, sogar Land –, reduzieren viele Familien jetzt ihre Mahlzeiten auf eine pro Tag oder beschränken ihre Ernährung auf die billigsten und grundlegendsten Nahrungsmittel wie Brot und Reis.

Diese extremen Bewältigungsmaßnahmen fordern einen verheerenden Tribut von Jemens jüngsten Kindern, von denen die Hälfte im Jahr 2021 von Mangelernährung bedroht ist – das sind 2,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren. 

Währenddessen wütet der Konflikt weiter und vertreibt jede Woche mehr Menschen. Die Nahrungsmittelpreise steigen weiter an, während der Wert des jemenitischen Riyal täglich schwankt. Eine tödliche zweite Welle des Coronavirus ebbt gerade erst ab, und lähmender Treibstoffmangel schränkt den Zugang zu medizinischer Versorgung und Arbeitsplätzen ein und hindert die Menschen sogar daran, ihre Nahrungsmittelhilfe abzuholen.

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Hayat und ihre Töchter sind vollständig auf die WFP-Nahrungsmittelnothilfe angewiesen: Mehl für Brot, Hülsenfrüchte für einen Eintopf sowie Öl, Zucker und Salz – nicht einmal ein bisschen Gemüse kann sie sich leisten. Foto: WFP/Annabel Symington

Dank zusätzlichen finanziellen Zuwendungen von Gebern – zu denen Deutschland, die USA, das Königreich Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Europäische Union gehören – konnte WFP in diesem Jahr die Nahrungsmittelhilfe dort erhöhen, wo der Hunger am größten ist.

Dies geschieht ein Jahr, nachdem die Organisation aufgrund von Finanzierungsengpässen gezwungen war, die Hilfe in einigen Teilen des Landes zu kürzen und die Familien nur noch alle acht, statt alle vier Wochen mit Nahrungsmitteln zu versorgen.

Dieses Niveau an Unterstützung aufrechtzuerhalten, ist das Einzige, was den Jemen davor bewahren kann, in eine weit verbreitete Hungersnot zu geraten. Bislang hat WFP 937 Millionen US-Dollar der 1,9 Milliarden US-Dollar erhalten, die es im Jahr 2021 benötigt.

Dass die Operationen fast zur Hälfte finanziert sind, ist eine positive Nachricht, aber nicht genug, um bis zum Ende des Jahres zu reichen. 

Ohne kontinuierliche humanitäre Hilfe wird der Hunger im Jemen weiter zunehmen. Aber letztlich kann nur Frieden den Teufelskreis von Hunger und Konflikten durchbrechen, der das Land heimsucht.

Fortschritte in Richtung Frieden erfordern sofortiges Handeln zum Schutz der Zivilbevölkerung, zur Bereitstellung von Nothilfe, zur Sicherung des humanitären Zugangs und zur Unterstützung einer Wirtschaft, die seit Beginn des Konflikts um die Hälfte geschrumpft ist.

Die Staats- und Regierungschef*innen der Welt müssen sich hinter einem gemeinsamem Plan vereinen, um zu verhindern, dass der Jemen in eine Hungersnot stürzt. Hungrig und erschöpft, die jemenitischen Familien können nicht länger warten.

Mehr Infos über die Arbeit von WFP im Jemen

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