Kosten der Kürzungen: Fehlende Gelder drohen Millionen in den Hunger zu treiben
Nach neuen Zahlen des UN-Welternährungsprogramms (WFP) könnten in den nächsten zwölf Monaten bis zu 24 Millionen Menschen in akuten Hunger abrutschen. Aufgrund von Finanzierungsengpässen ist die Organisation gezwungen, wesentliche Hilfsmaßnahmen zu reduzieren oder sogar ganz einzustellen.
Die neue Analyse von WFP kommt zu dem Schluss, dass jede Kürzung der Ernährungshilfe um nur 1% bedeutet, dass 400.000 Menschen zusätzlich in den Hunger getrieben werden.
"Angesichts der Rekordzahl von Menschen, die weltweit vom Hunger bedroht sind, müssen wir die lebensrettende Hilfe aufstocken, anstatt sie zu kürzen", sagte die Exekutivdirektorin des WFP, Cindy McCain. “Wenn wir nicht die Unterstützung erhalten, die wir brauchen, um eine weitere Katastrophe abzuwenden, wird die Welt zweifellos mehr Konflikte, mehr Unruhen und mehr Hunger erleben.”
Expert*innen der Organisation befürchten, dass ein humanitärer Teufelskreis in Gang gesetzt wird. Dabei ist WFP gezwungen, Hilfe für hungernde Menschen zu kürzen, um die Verhungernden zu retten.
Massive Kürzungen wurden bereits bei fast der Hälfte der WFP-Maßnahmen vorgenommen, darunter auch in Krisengebieten wie Afghanistan, Bangladesch, der DR Kongo, Haiti, Jordanien, Palästina, Südsudan, Somalia und Syrien. Die Auswirkungen dieser Kürzungen bei der lebensrettenden Hilfe führen dazu, dass die Zahl der Hungernden noch weiter in die Höhe schießt.
Rund 45 Millionen Kinder sind akut unterernährt. Allein in diesem Jahr ist die Zahl der akut unterernährten Frauen und Kinder in den 19 größten Operationen von WFP auf fast 36 Millionen gestiegen.
Obwohl wir die Maßnahmen im Bereich Ernährung stark ausgeweitet und im vergangenen Jahr weltweit eine Rekordzahl von 28,5 Millionen Frauen und Kindern erreicht haben, schränken die Mittelkürzungen unsere Möglichkeiten, weiterhin Hilfe zu leisten, stark ein.
Im Fokus: Ernährung in zwei der kritischsten WFP-Kontexte
Afghanistan
Vier Jahrzehnte Konflikt, drei Jahre Dürre, hohe Lebensmittelpreise, hartnäckiger Hunger, schlechter Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung und andere enorme Hindernisse, mit denen junge Mütter konfrontiert sind - das sind nur einige der Gründe, warum heute mehr als drei Millionen afghanische Kinder akut unterernährt sind, und die Zahl steigt.
Für viele ist WFP ein Rettungsanker. Unsere Ernährungshilfe hat allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres acht Millionen afghanische Kinder sowie 1,7 Millionen schwangere und stillende Mütter erreicht.
Doch es muss noch mehr getan werden, so Mona Shaikh, Leiterin der Ernährungsabteilung von WFP in Afghanistan. “Kleine Kinder brauchen die richtige Nahrung zur richtigen Zeit”, sagte sie.
Heute hat weniger als eines von zehn afghanischen Kindern Zugang zu einem Mindestmaß an nahrhafter Nahrung.
Schwerwiegende Finanzierungslücken machen die hart erkämpften Erfolge zunichte und zwingen WFP, die Nahrungsmittelrationen zu halbieren und die Unterstützung für Millionen bedürftiger Afghan*innen ganz zu streichen. Darunter befinden sich 1,4 Millionen junge Mütter und Kinder, die nicht mehr die speziellen nahrhaften Lebensmittel von WFP erhalten.
In vielen Teilen Afghanistans führt der Mangel an sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und guter Hygiene zu einem Anstieg von Durchfallerkrankungen und anderen Krankheiten, die für akut unterernährte Kinder tödlich sein können.
“Etwas so Einfaches wie der Beginn des Stillens innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt kann einen enormen Einfluss darauf haben, ob das Kind gut und gesund aufwächst”, sagte Shaikh.
DR Kongo
Die ressourcenreiche Demokratische Republik Kongo gehört zu den größten Hungerkrisen der Welt, denn fast 26 Millionen Menschen sind stark von Ernährungsunsicherheit betroffen.
Landesweit sind etwa 4,4 Millionen Frauen und Kinder akut unterernährt - eine alarmierende Zahl, die sich durch eine komplexe Mischung aus Konflikten, Armut, schlechten landwirtschaftlichen und Kinderbetreuungspraktiken, kulturellen Tabus und mangelnder Hygiene- und Gesundheitsinfrastruktur erklären lässt.
Um die Unterernährungsrate bei Kindern zu senken, ist eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Praktiken für den Eigenbedarf von entscheidender Bedeutung, so WFP-Ernährungsberaterin Fortune Maduma. Es gibt noch weitere Faktoren, wie zum Beispiel die Entlarvung kultureller Nahrungstabus“. In Teilen von Kasai ist es beispielsweise schwangeren Frauen und frischgebackenen Müttern verboten, eiweißreichen Fisch ohne Schuppen und Eier zu essen.
In der DR Kongo fehlen WFP-Maßnahmen 774 Millionen US-Dollar, darunter etwa 45 Millionen US-Dollar für die Bereitstellung von Ernährungshilfe für unterernährte Kinder und andere gefährdete Menschen, insbesondere im Nordosten.
Wo WFP die Mittel hat, bewirken unsere Maßnahmen etwas. In Teilen der Region Nord-Ubangi in der Demokratischen Republik Kongo zum Beispiel hat sich die Zahl der Familien, die sich abwechslungsreicher ernähren, durch die Kochkurse von WFP verdoppelt.
Durch ein umfassendes WFP-Programm zur Ernährungsprävention, das gemeinsam mit UN-Partnern in der nordöstlichen Stadt Minova durchgeführt wurde, konnte der Anteil der unterernährten Kinder innerhalb von drei Jahren von 66 Prozent auf 51 Prozent gesenkt werden.
Doch insgesamt ist die Lage bei der Unterernährung von Kindern düster. “Was wir wissen, deutet darauf hin, dass sich die Situation verschlimmert”, so Maduma. “Vor allem im Osten, wo es immer mehr Vertreibungen und Konflikte gibt.”
Weltweit hat WFP die Ernährungshilfe stark ausgeweitet - im vergangenen Jahr erreichten wir insgesamt 28,5 Millionen Frauen und Kinder -, aber die Mittelkürzungen schränken unsere Möglichkeiten ein, die Menschen zu erreichen, die am dringendsten Hilfe benötigen.