Skip to main content

Wie handgemachte Briketts Feuer und Erinnerungen im Libanon aufflammen lassen

Deutschland fördert im Libanon hunderte Projekte zur Stärkung der Lebensgrundlagen. Bedürftigte lernen neue Skills, mit denen sie leichter Arbeit finden. Durch die Einkommensmöglichkeiten können sie sich und ihre Familie ernähren.
, WFP Deutsch

Die Vergangenheit und die Gegenwart

Als Jugendlicher besuchte Ghassan die Wälder in Chouf im Libanon während eines langen Sommerurlaubs mit seiner Familie. Als wäre es gestern, erinnert er sich an Picknicks und Fußballspiele in den Wäldern, wo die Kinder Kiefernzapfen als Torpfosten aufhäuften. Er und sein Cousin grillten Geflügel über kleinen Lagerfeuern, die sie zum Sonnenuntergang entfachten und während der Nacht knistern ließen, als sie unter dem Sternenhimmel schliefen.

Fünfzehn Jahre später kehrte Ghassan zurück an den Hang neben der verschlafenen Kleinstadt Baaklin. Dieses Mal kam er mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen. Aber nicht als Tourist. Jetzt sind sie Flüchtlinge.

2013 verließen sie Idlib, um Frieden zu finden. Sie wussten nicht wohin, dann erinnerte sich Ghassan an den Ort, an dem er sich als Kind sicher fühlte — Chouf im Libanon. Und so machten sie sich auf den Weg mit dem Bus, Taxi und zu Fuß. Nach einer schwierigen zweiwöchigen Reise ließ sich die erschöpfte Familie an einem Berghang voller Zedern und Pinien nieder, weit weg von dem Konflikt in Syrien.

1*iJGesi9nmxkGtp68S0YWEg.jpeg
Ghassan bei der Arbeit in der Verarbeitungsanlage, die WFP unterstützt. Für Ghassan ist das nicht nur ein Job, sondern auch eine Lebensgrundlage. Foto: WFP/Ziad Rizkallah

Ein Job, ein Rettungsanker

Ghassan war ein vielbeschäftigter Taxifahrer in Syrien und fand es zunächst schwierig, sich an sein neues Leben auf dem Land zu gewöhnen. „Hier ist das Tempo langsamer", erklärt er, „aber mittlerweile gefällt es uns. Wir wollen nur ein einfaches Leben führen und nach Hause zurückkehren, sobald es sicher ist."

Dieses einfache Leben spielt sich vor allem draußen ab, da Ghassan einer von 26 Teilnehmenden eines Projektes der Al Chouf Cedar Gesellschaft (ACS) ist, einer Partnerorganisation von WFP. ACS zahlt ihn für jeden Tag, an dem er Waldarbeit verrichtet oder Briketts produziert. Die Aufgaben sind abwechslungsreich: abgestorbene Äste abschneiden, abgefallene Baumstücke einsammeln, das gesammelte Material in Zylinderform pressen und in speziellen Belüftern trocknen.

Über 350 dieser WFP-Projekte für Lebensgrundlagen gibt es im Libanon, viele davon wurden bereits erfolgreich abgeschlossen. Sie werden komplett vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Jedes Projekt wurde in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinden geplant und die Teilnehmenden lernen Skills, die sie später für einen Beruf außerhalb des Projektes qualifizieren.

Ein typischer Tag

„Ich war besorgt als mein zweiter Sohn Sami geboren wurde, aber jetzt kann ich für ihn sorgen", sagt Ghassan. Das Geld, das er verdient, gibt die Familie meistens für Essen aus.

An einem typischen Tag roden und lichten Ghassan und seine Kollegen die zahlreichen libanesischen Wälder. Die gesammelte Biomasse wird in Briketts gepresst, die als Zünd- oder Brennstoff dienen und von ACS an Einheimische verkauft werden. Ghassan und die anderen Arbeiter produzieren jährlich die gigantische Menge von 200 Tonnen Briketts und 200 Tonnen Kompost.

„Wir haben nur einen Planeten…Und ich bin zuversichtlich, dass ich bald dem gleichen Planeten auch mit syrischen Bäumen helfen kann."

Ghassan weiß, wie wichtig ein möglichst kleiner ökologischer Fußabdruck ist. „Wir haben nur einen Planeten", erklärt er. Er ist sich zudem bewusst, dass er als Ausländer im Libanon lebt und will deshalb seine Dankbarkeit für die libanesische Gastfreundlichkeit zum Ausdruck bringen. Genau das tue er, indem er zur Bewahrung der libanesischen Biosphäre beiträgt, sagt Ghassan.

Projekte zur Stärkung von Lebensgrundlagen wie dieses sind gerade angesichts des fortwährenden Konflikts in Syrien von unschätzbarem Wert. Vertriebene verlieren oft ihre Beschäftigung und haben keine Möglichkeit, Arbeit zu finden. Viele kommen nur schwer über die Runden und können sich und ihre Familien nicht ausreichend ernähren. Sie brauchen jetzt Arbeit, bis eine Rückkehr möglich ist. Aber sie brauchen auch Arbeit, wenn sie wieder nach Syrien zurückkehren. Doch Ghassan zeigt sich zuversichtlich, denn auch in Syrien „gibt es viele Wälder und ich bin überzeugt, dass ich bald auch mit syrischen Bäumen arbeiten kann."

Grüner und sauberer

Der Nutzen des Projektes ist zahlreich — Ghassan und andere libanesische und syrische Teilnehmende haben nun ein festes Einkommen. Und weil die Waldböden besser gepflegt sind, kommt es zu weniger Waldbränden. Außerdem verfügt die Region jetzt über nachhaltigen, natürlichen und billigen Brennstoff.

Da Ghassan keine relevanten Vorkenntnisse hatte, war seine Lernkurve steil und besonders die erste Woche war schwierig für ihn. Aber genau darum geht es, „ich bin hier, um zu lernen", sagt er stolz.

Wenn man Ghassan nach der Zukunft fragt, spricht er zuerst vom Libanon — es wird ein grünerer und sauberer Ort werden, erklärt er. Und dann spricht er von seinen Söhnen. Er hofft, dass sie eines Tages in die Wälder von Chouf zurückkehren. Mit Erinnerungen an grüne Landschaften, einen Vater, der für sie sorgt, und die endlosen Nächte am Feuer — natürlich mit seinen handgemachten Briketts.

Mehr Informationen zu Syrien und den Nachbarländern finden Sie hier.