Erdbeben nahe Stuttgart: Humanitäre Helfer proben Nothilfe-Einsatz
Ziel der Übung ist es, im Ernstfall schnell und effizient Hilfe zu leisten. Eine Woche lang proben die Teilnehmer dafür ein fiktives Szenario: Demnach hat sich im Land Tukastan ein schweres Erdbeben ereignet. Die ersten Helfer treffen binnen 24 Stunden ein und finden eine schwer beschädigte, zum Teil zerstörte Infrastruktur vor. 364 Menschen sind bei der Katastrophe ums Leben gekommen, 1,5 Millionen müssen mit Nahrungsmittel, Unterkünften und Medizin versorgt werden. Zahlreiche Nachbeben erschweren allerdings die Koordination dringend benötigter Hilfstransporte und den Aufbau einer Telekommunikationanlage, so das Drehbuch.
„Das Szenario ist einzigartig und hilft den Teilnehmern, sich mit den neuesten Standards der humanitären Hilfe vertraut zu machen“, sagt André Hermann, Logistikexperte bei WFP. „Es ist wichtig, dass sich Logistiker und Telekommunikationsexperten frühzeitig austauschen und mit möglichen Bedingungen vertraut machen, bevor der nächste Einsatz ansteht.“
Am 6. Tag des Trainings sieht man vielen Teilnehmern die Strapazen ins fahle Gesicht geschrieben. Ergänzt mit dunklen Augenringen unterstreicht es den ernsten Charakter dieser Übung. Viele haben in den einfachen Feldbetten und Zelten kaum Schlaf gefunden, einigen war es in den einfachen Behausungen zu kalt um Ruhe zu finden, anderen zu laut. Der Generator, der für die Stromversorgung zuständig ist, donnert mit seinem schweren Dieselmotor auch in der Nacht. Die Telefone klingeln hier und dort, was ein gutes Zeichen ist, denn die Kollegen der Telekommunikations-Abteilung haben bereits ganze Arbeit geleistet und das Netz provisorisch instand setzen können. Zumindest für die Helfer.
Im Notfall müssen Hilfsgüter und Telekommunikation schnell verfügbar sein. Foto: WFP/Rouven Brunnert
„Unsere Mitarbeiter konnten die beschädigten Anlagen in den Schaltzentralen notdürftig reparieren. Wir benötigen aber weitere personelle und technische Unterstützung, um Telefon und Internet auch für die Bevölkerung wieder zugänglich zu machen“, klärt Jalal Shah, der die Nothilfekommunikation von WFP, das Emergency Telecommunications Cluster (ETC), koordiniert.
Von der Bundespolizei landet ein Helikopter neben Camp Taldat, wo die Helfer stationiert sind. Einige frische und kraftstrotzende Helfer mit roten Wangen steigen aus, einige erschöpfte mit müden Augen wieder ein, nachdem sie sechs Tage im schwäbischen Nadelwald Nothilfe geleistet, aber kaum geschlafen haben. Dann greift der Helikopter mit einem riesigen Karabiner am Bauch zahlreiche WFP-Säcke die am Boden zur Abholung bereit liegen und entschwindet über dem malerischen Sauhag der Schwäbischen Alb ins Nichts.
Seit über 10 Jahren arbeitet WFP eng mit seinem deutschen Partner THW zusammen. Beide Organisationen kennen sich aus zahlreichen internationalen und realen humanitären Hilfseinsätzen. Zum ersten Mal haben beide auch gemeinsam zur Übung ‚OpExBravo‘ in die THW-Bundesschule nach Neuhausen auf den Fildern nahe Stuttgart eingeladen. Innerhalb von sechs Tagen werden Mitarbeiter von 44 Organisationen aus 30 Ländern logistische Abläufe und Telekommunikation besser aufeinander abstimmen und voneinander lernen. Die Teilnehmer arbeiten für UN-Organisationen wie das UN-Kinderhilfswerk UNICEF, das UN-Flüchtlingswerk UNHCR, der UN-Koordinierungsstelle für humanitäre Angelegenheiten OCHA oder WFP sowie Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam, das Internationale Rote Kreuz und Ärzte ohne Grenzen.
Finanziert wird das Training durch das Auswärtige Amt und vom Land Luxemburg, das zusätzlich Experten für Zivilschutz-Kommunikation bereitstellt.