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Gemeinsam gegen die Dürre

Auf dem diesjährigen UN-Klimagipfel COP28 ruft das UN-Welternährungsprogramm (WFP) dazu auf, gefährdete Menschen an vorderster Front der Klimakrise besser zu schützen. Wie solche Lösungen für echte Klimagerechtigkeit aussehen, das zeigen Viehhirte Thomas und die Flüchtlingsfrau und Bäuerin Kika, die in Kenia gemeinsam gegen Hunger und Klimakrise kämpfen
, Nour Saad
ach sechs ausgefallenen Regenzeiten in Turkana haben viele Viehzüchter ihre Lebensgrundlagen verloren. Es gibt schlicht zu wenig Wasser und Weideland für die Tiere. Foto: WFP/Martin Frick
Nach sechs ausgefallenen Regenzeiten in Turkana haben viele Viehzüchter ihre Lebensgrundlagen verloren. Es gibt schlicht zu wenig Wasser und Weideland für die Tiere. Foto: WFP/Martin Frick

Vertrocknetes Land so weit das Auge reicht und keine Bäume in Sicht. Sie wurden alle für Brennholz gefällt. Nichts wächst mehr aus dem Boden – keine Nahrung weder für Menschen noch für Vieh. So sieht es in der Region Turkana im Nordwesten von Kenia aus, wo es seit drei Jahren nicht geregnet hat. Für die Dorfgemeinschaften, die hier leben, ist Viehzucht die Haupteinkommensquelle. Doch nach sechs ausgefallenen Regenzeiten haben viele Viehzüchter ihre Lebensgrundlagen verloren. Es gibt schlicht zu wenig Wasser und Weideland für die Tiere. Weiter oben im Norden, in Kakuma, an der Grenze zum Südsudan und zu Uganda trifft man auf Menschen, die mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Sie sind aus den Nachbarländern in eines der größten Flüchtlingscamps der Welt geflohen. Doch die Gefahren des Klimawandels folgen ihnen. Durch die Dürre sind die Ressourcen in Turkana knapp geworden und gefährden die Ernährungssicherheit von Flüchtlingen und der Aufnahmegemeinschaften gleichermaßen. Alleine wegen der Dürre leiden 5,4 Millionen Menschen in Kenia an akutem Hunger. An diesem Ort wird deutlich: die Gefahren der Klimakrise gehen über Landesgrenzen hinaus und erfordern langfristige und nachhaltige Lösungen.

800 Kilometer entfernt, in Nairobi, hallte dieser Gedanke durch die Diskussionen des ersten afrikanischen Klimagipfels, der Anfang September stattfand. Die Konferenz beleuchtete die Auswirkungen des Klimawandels, mit denen der Kontinent konfrontiert ist – und das enorme Potential, das er im Kampf gegen Hunger und Klimakrise mit sich bringt. Wie das aussieht, zeigt die gemeinsame Arbeit von WFP und der kenianischen Regierung in Turkana. WFP-Programme in Kenia helfen rund 2,6 Millionen Menschen in Flüchtlingscamps und Aufnahmegemeinschaften dabei, wieder auf eigenen Beinen zu stehen und sich langfristig gegen künftige Krisen zu wappnen. Der Schlüssel dafür heißt Ernährungshilfe.

Mit Ernährungshilfe gegen die Klimakrise

Gemeinsam mit der kenianischen Regierung stärkt WFP Sozialschutzprogramme in Turkana. Damit soll das Wohlergehen der ärmsten Bürger beispielsweise durch monatliche Bargeldtransfers verbessert werden. Diese kommen Menschen zugute, die von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, wie etwa Thomas Ishodo, ein Hirte im Dorf Nasiger.

„Wir sind von Viehzucht abhängig. In den letzten 3 Jahren hat es nicht geregnet. Das Dorf hat wegen des Klimawandels alle guten Dinge vergessen, die wir früher hatten.” 

"Wir sind von Viehzucht abhängig. In den letzten 3 Jahren hat es nicht geregnet. Das Dorf hat wegen des Klimawandels alle guten Dinge vergessen, die wir früher hatten”, erzählt Thomas. Durch das Sozialschutzprogramm bekommt er jetzt monatliche Bargeldtransfers und kann sich damit Essen kaufen. Mit der Unterstützung von WFP soll das Programm auf 1,7 Millionen Menschen ausgeweitet werden.

Thomas Ishodo ist Hirte im Dorf Nasiger und bekommt jetzt durch das Sozialschutzprogramm der kenianischen Regierung und mithilfe von WFP monatliche Bargeldtransfers, um sich Essen zu kaufen. Foto: WFP/ Alina Seebacher
Thomas Ishodo ist Hirte im Dorf Nasiger und bekommt jetzt durch das Sozialschutzprogramm der kenianischen Regierung und mithilfe von WFP monatliche Bargeldtransfers, um sich Essen zu kaufen. Foto: WFP/ Alina Seebacher

Auch die 290,000 Flüchtlinge, die in Kakuma leben, werden von WFP mit Ernährungshilfe, in Form von Nahrungsmittel und Bargeldtransfers unterstützt. Das Warenlager und das angeschlossene Verteilungszentrum für Nahrungsmittel werden seit 2020 vollständig mit Solarenergie betrieben, genauso wie die 21 Schulen im Flüchtlingscamp. Dort erhalten 56.000 Kinder täglich ein warmes gesundes Mittagessen, das dafür sorgt, dass die Einschulungs- und Anwesenheitsquote hoch bleibt. Eine wichtige Investition in die Zukunft der Region, denn die Bevölkerung im Flüchtlingscamp ist sehr jung. 30 Prozent davon gehen zur Schule. 

Schulmahlzeiten in Turkana
In den 21 Schulen im Flüchtlingscamp erhalten 56.000 Kinder täglich ein warmes gesundes Mittagessen, das dafür sorgt, dass die Einschulungs- und Anwesenheitsquote hoch bleibt. Foto: WFP/Alina Seebacher

Die Unterstützung von Sozialschutzprogrammen, die Nahrungsmittelhilfe und die Schulmahlzeiten in den Flüchtlingscamps schaffen die Grundlage, die es der Bevölkerung ermöglicht, auf eigenen Füßen zu stehen. Nur wenn man ausreichend ernährt ist, kann man sich eine Zukunft aufbauen. Die Arbeit von WFP in Turkana geht darüber hinaus. 2021 verabschiedete die kenianische Regierung einen Plan für den Übergang von Flüchtlingscamps zu integrierten Siedlungen, in denen Flüchtlinge und Aufnahmegemeinschaften zusammenleben. WFP unterstützt die Regierung bei der Umsetzung, indem sie Flüchtlinge in die Lage versetzt, sich selbst zu versorgen und zur Wirtschaft beizutragen. 

Klimaresistente Ernährungssysteme aufbauen

Eine Reise rund um Kakuma zeigt, wie neue Lebensgrundlagen geschaffen werden können, die nicht nur Einkommen generieren, sondern auch zu klimaresistenten und nachhaltigen Ernährungssystemen beitragen. So stärkt WFP beispielsweise die landwirtschaftliche Produktion in der Region. Es wurden fünf Wasserbecken mit einem Fassungsvermögen von je 50.000 m³ gebaut, um Regenwasser zu speichern, das dann für die Bewässerung verwendet wird. Auf einer Fläche von neun Hektar wurden drei Schattennetzfarmen errichtet, um Gemüse anzupflanzen. Jeden Monat werden in einem Schattennetzbetrieb etwa 7 Tonnen Frischgemüse produziert. Mit dem Verkauf verdienen Bäuer*innen durchschnittlich 600 Dollar pro Monat. Von diesem Projekt profitieren Kleinbäuer*innen wie Kika Njakani, die 2016 aus dem Kongo nach Kakuma floh. Kika, die zuvor auf Bargeldtransfers angewiesen war, kann nun Tomaten pflanzen und damit alle zwei Tage ca. 15.000 kenianische Schilling (etwa 100 Euro) verdienen. „Landwirtschaft ist eine Menge Arbeit, aber das ist es wert. Jetzt haben wir Gemüse. Wir können davon essen und es auch verkaufen," sagt Kika, während sie glücklich ihre frisch geernteten Tomaten hält.

„Landwirtschaft ist eine Menge Arbeit, aber das ist es wert. Jetzt haben wir Gemüse. Wir können davon essen und es auch verkaufen." 

WFP unterstützt die landwirtschaftliche Produktion in Kakuma. So können Bäuer*innen wie Kika, die zuvor auf Bargeldtransfers angewiesen waren, nun Lebensmittel anbauen und davon essen und auch Geld verdienen.
WFP unterstützt die landwirtschaftliche Produktion in Kakuma. So können Bäuer*innen wie Kika, die zuvor auf Bargeldtransfers angewiesen waren, nun Lebensmittel anbauen und davon essen und auch Geld verdienen. Foto: WFP

Die Fischerei ist ebenfalls eine wichtige Einkommensquelle für viele Menschen in Turkana. Doch ohne geeignete Ausrüstung und Ressourcen kann der Fisch verderben. Deswegen hat WFP den Bau von solarbetriebenen Kühlräumen für Fischer*innen in Turkana gefördert. Dadurch wird die Lebensmittelsicherheit und - qualität erhöht und der Fischverlust um 97 Prozent reduziert.

WFP hat den Bau von solarbetriebenen Kühlräumen für Fischer*innen in Turkana gefördert. Dadurch wird die Lebensmittelsicherheit und - qualität erhöht und der Fischverlust um 97 Prozent reduziert.
WFP hat den Bau von solarbetriebenen Kühlräumen für Fischer*innen in Turkana gefördert. Dadurch wird die Lebensmittelsicherheit und - qualität erhöht und der Fischverlust um 97 Prozent reduziert.  Foto: WFP/Alina Seebacher

Auch für Hirten und Hirtinnen, die ihre Lebensgrundlage verloren haben, schafft WFP alternative Einkommensmöglichkeiten. Mithilfe des Bienenzuchtunternehmen HIVE Limited bietet WFP Schulungen, Ausrüstungen, sowie Unterstützung bei der Verarbeitung und Vermarktung von Honig an. WFP unterstützt fast 1900 Imker*innen in Turkana. Seit 2022 haben sie zehn Tonnen Honig im Wert von 19.000 US-Dollar produziert. Die Bienenzucht schafft nicht nur Einkommensquellen, sondern stärkt durch die Bestäubung auch die Ernährungssysteme. Dadurch wird das Land erhalten und die Entwaldung verringert, weil durch die Bienen neue Pflanzen wachsen und weil die Bevölkerung zunehmend den wirtschaftlichen Nutzen davon erkennt. Ziel ist es, bis 2026 10.000 Bäuer*innen in ganz Kenia zu engagieren. 

Die Bienenzucht schafft nicht nur Einkommensquellen, sondern stärkt durch die Bestäubung auch die Ernährungssysteme. Dadurch wird das Land erhalten und die Entwaldung verringert. Foto: WFP/Martin Frick
Die Bienenzucht schafft nicht nur Einkommensquellen, sondern stärkt durch die Bestäubung auch die Ernährungssysteme. Dadurch wird das Land erhalten und die Entwaldung verringert. Foto: WFP/Martin Frick

Auch wenn Bienen und solarbetriebene Kühlräume die Klimakrise nicht über Nacht lösen werden, zeigen sie doch, wie klimabedingte Herausforderungen durch nachhaltige und langfristige Lösungen bekämpft werden können. Viehhirten wie Thomas und Bäuerinnen wie Kika, die zu Unrecht die Last der Klimakrise tragen, sind diejenigen, die den Wandel in der Region vorantreiben und der Klimakrise sprichwörtlich von Grund auf entgegenwirken.

Die WFP-Programme in der Region Turkana werden unter anderem mit deutscher Unterstützung durch das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert.