Krise um Krise: Wie WFP dem Libanon im schwierigen Jahr 2020 half
Der Libanon wurde in den vergangenen zwölf Monaten gleich von mehreren Schocks heimgesucht. Sie hatten verheerende Auswirkungen auf die Menschen im Land. Zu den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Problemen kommt hinzu, dass das Gesundheitssystem des Landes durch die Auswirkungen von COVID-19 stark unter Druck steht. Nach der Explosion im Hafen von Beirut am 4. August stieg die Zahl der Menschen, die in Armut leben, weiter an und selbst vergleichsweise wohlhabende Familien gerieten in Not.
Die Nahrungsmittelpreise haben sich in den letzten 12 Monaten fast verdreifacht. Gleichzeitig hatte das libanesische Pfund seit Oktober 2019 rund 80 Prozent seines Wertes eingebüßt. Das hat enorme Auswirkungen auf die Wirtschaft des importabhängigen Landes. Neben der Kaufkraft der Menschen ist auch der Wert ihrer Ersparnisse und Gehälter geschwunden.
Nach aktuellen WFP-Daten wurde jede*r dritte Libanes*in in die Arbeitslosigkeit gedrängt, während fast ein Fünftel der Bevölkerung Gehaltskürzungen hinnehmen musste. Dies veranlasste 85 Prozent der Familien dazu, billigere Nahrungsmittel mit geringem Nährwert zu kaufen. Die Hälfte der befragten Familien gab an, dass sie auch die Portionen ihres Essens reduzieren mussten.
Ohne Geflüchtete zu berücksichtigen leben nach Schätzungen der Weltbank derzeit 1,7 Millionen Libanes*innen in Armut — fast die Hälfte der Bevölkerung des Landes.
Lokale Partner und Nichtregierungsorganisationen erhielten außerdem Nahrungsmittel von WFP für Gemeinschaftsküchen, die täglich mehr als 3.000 warme Mahlzeiten für betroffene Familien und Freiwillige, die den Schutt aufräumen, bereitstellen.
„Ich habe schon oft gesagt, dass ich die Küche und die Essensausgabe einstellen werde, aber dann passiert immer etwas — eine Spende kommt herein, und ich komme doch wieder zurück", sagt Cyril Badaoui, Gründer von „A+ Initiatives", eine der gemeinnützigen Organisationen, die WFP-Nahrungsmittel erhalten haben. Seine Organisation hat sich mit einem Catering-Unternehmen zusammengetan, um warme Mahlzeiten zu den Menschen nach Hause zu bringen.
Zwei Wochen nach der Explosion in Beirut brachte WFP 12.500 Tonnen Weizenmehl in den Libanon, um die Ernährung zu sichern. In einer Vereinbarung mit dem Ministerium für Wirtschaft und Handel wurde mit diesem Weizenmehl das Gewicht der Standardtüte Brot von 900 Gramm auf 1.000 Gramm gehoben. Das bedeutete, dass alle libanesischen Familien für den gleichen Preis zwei Monate lang zwei zusätzliche Brote — sie haben etwa die Größe und Form einer Pita — in der landesweit standardisierten Brottüte erhielten.
(WFP führte 471 Ladenbesuche durch, um das Gewicht des Brotes im ganzen Land zu kontrollieren und sicherzustellen, dass die Bäckereien die Brottüten mit dem angepassten Gewicht verkaufen).
Der Gesundheitssektor des Libanon war bereits durch die unbändige Ausbreitung von COVID-19 belastet. Durch die verheerende Explosion in Beirut, wurde die Zahl der Krankenhausbetten um rund weitere 550 Plätze reduziert.
Während die Patient*innen zur Behandlung in nahegelegene Zentren verlegt werden mussten, halfen Teilnehmer*innen eines WFP-Projekts für Lebensgrundlagen freiwillig beim Wiederaufbau des Rosaire-Krankenhauses in Gemmayzeh, das weniger als einen Kilometer vom Explosionsort entfernt stand.
Zwei Wochen später konnte die Notaufnahme des Krankenhauses wieder öffnen und Krebspatient*innen behandeln.
WFP unterstützt Bedürftige, die von der aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Krise im Libanon, der Explosion in Beirut und den Auswirkungen des Lockdowns gegen das Coronavirus betroffen sind. Teilnehmer*innen von Programmen für Lebensgrundlagen erwerben Fertigkeiten, die ihnen ein Einkommen ermöglichen oder ihr karges Einkommen erhöhen.
WFP hat seine Unterstützung ausgeweitet und erreicht mittlerweile rund 270.000 Menschen im ganzen Land. Während einige Notrationen erhalten, bekommt die Mehrheit Bargeldtransfers, mit denen sie in Partnergeschäften Nahrungsmittel kaufen können.
Um den Auswirkungen der grassierenden Inflation im Libanon zu begegnen, hat WFP im November zum dritten Mal im Jahr 2020 den Wert der E-Cards mehr als verdoppelt.
Da der Unterricht im ganzen Land im Schuljahr 2020–21 erneut ausgesetzt wurde, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen, bietet WFP alternative Hilfe für Kinder, die von Hunger gefährdet sind. Im Dezember begann WFP mit der Verteilung von Nahrungsmittelpaketen für Familien, deren Kinder sonst auf Schulmahlzeiten angewiesen wären.
Als Reaktion auf die sich verschlechternde Ernährungssituation im Libanon erweiterte WFP sein Schulmahlzeitenprogramm für das Schuljahr 2020–21 und konnte dadurch insgesamt 50.000 Schüler*innen in 81 Schulen erreichen — etwa 20.000 Kinder mehr als letztes Jahr.
„Wenn Familien weniger Geld für Nahrungsmittel und das Nötigste haben, greifen sie auf negative Bewältigungsmechanismen zurück und einer davon ist, die Kinder zur Arbeit zu schicken", sagt Abdallah Al-Wardat, WFP-Landesdirektor im Libanon. „Indem wir unsere Schulmahlzeiten auf diese Weise anpassen, entlasten wir die begrenzten Ressourcen von Familien, damit sie sie für Gesundheitsversorgung, Miete oder andere wichtige Dinge verwenden können."
WFP unterstützt mehr als 1 Million Menschen im gesamten Libanon, darunter sowohl libanesische Staatsangehörige als auch syrische Geflüchtete, zu letzteren gehört jeder sechste Mensch im Land. Ermöglicht wird das durch die großzügige Unterstützung von Australien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Norwegen, privaten Gebern, der Schweiz, Großbritannien, den USA, EU MADAD, ECHO, Irland und Dänemark.