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Tschad: Hunger und Arbeitslosigkeit zwingen junge Männer zu lebensgefährlichen Reisen

Das UN World Food Programme (WFP) will Perspektiven schaffen, um den Verbleib in den Heimatorten attraktiver zu machen als die Ausbeutung in den Goldminen im Norden des Landes

, By María Gallar Sánchez
ZUM VIDEO. WFP/Evelyn Fey

In den Provinzen des zentralen Tschad ist Migration traditionell weniger ein letzter Ausweg als vielmehr eine Lebensweise. Seit Jahrhunderten ziehen die Viehhirt*innen während der Trockenzeit in die Feuchtgebiete und Weiden rund um den Tschadsee und in den Süden des Landes.

Wenn die Regenzeit kam, zogen sie in Gebiete, die jetzt hinter den Grenzen der Nachbarländern liegen, um ihr Vieh zu höheren Preisen zu verkaufen.

Das Herumziehen ist jedoch nicht mehr so einfach, seit die Grenzen geschlossen wurden, um bewaffnete Gruppen zu beschränken, die in den Grenzregionen Rückzugsraum gefunden haben.

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Wüstenoasen im Tschad werden als „Ouaddis“ bezeichnet. Foto: WFP/Sebastian Muller 

Außerdem gibt es auch Spannungen zwischen Viehhirt*innen und Bäuer*innen, die sich etwa an der Sorge um ausgetrocknete Weiden und geringe Regenfälle entzünden.

Da das Vieh – Kamele und Kühe – jedoch unabhängig von Regen und Trockenheit essen und trinken muss, tun sie das oft auf dem Land sesshafter Bäauer*innen in der Sahelzone. Der Sahel erstreckt sich südlich der Sahara zwischen dem Atlantischen Ozean und dem Roten Meer über den ganzen Kontinent.

Durch Arbeitslosigkeit und die Konflikte um Ressourcen sehen viele keine andere Möglichkeit, als ihre Heimat zu verlassen. Junge Männer wagen sich in die Wüste, in den unruhigen Norden, angezogen von der Aussicht auf einen Job in den Minen.

Denn der Tschad, ein Binnenstaat mit 16,4 Millionen Einwohner*innen – in dem WFP 2,4 Millionen Menschen unterstützt – produziert Gold. Kriminelle, Menschenhändler*innen und nichtstaatliche bewaffnete Gruppen, die die Minen kontrollieren, rekrutieren die hoffnungslosen Männer auf der Suche nach Arbeit. Einige von ihnen fliehen sogar weiter nach Norden, nach Libyen.

„Ich habe 125.000 Francs [fast 243 US-Dollar] bezahlt, um über die Grenze zu kommen“, sagt Amine, ein junger Mann aus einer der zentralen Provinzen des Tschad. „Ich habe ein Diplom, aber ich konnte keine Arbeit finden, also wollte ich nach Europa.“

„Ich schickte meinen Eltern jeden Monat Geld, aber es reichte nur für ein paar Stücke Seife.“

„Wir waren 22 Männer auf einem Pickup und hatten pro Person nur eine Mahlzeit am Tag. An Straßensperren wurden wir häufig von Polizisten geschlagen, aber sie ließen uns durch. Sie stecken mit den Schmugglern unter einer Decke.“  

Amine schaffte es bis in die Stadt Zawiya an der libyschen Küste, wo er acht Monate lang in einem Laden arbeitete. Er konnte nicht genug verdienen, um das Mittelmeer zu überqueren und beschloss, zurück in den Tschad zu reisen, wo seine Familie auf ihn wartete.

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"Im Norden ist man ein einfaches Ziel für Kriminelle" ,sagt Adam. Foto: WFP/María Gallar Sánchez

Er unterstützt nun die gemeinsamen Bemühungen von WFP und der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowohl das Bewusstsein für die Risiken der Migration zu schärfen als auch wirtschaftliche Möglichkeiten im Sahel aufzubauen.

„In der Provinz Batha gibt es nur eine Ernte pro Jahr, die manchmal durch Überflutungen zerstört wird. Wenn jemand kommt und eine*r Bäuer*in sagt, dass er im Norden Arbeit finden kann, denkt er nicht lange darüber nach – er verschuldet sich und geht“, sagt Amine. „Ich erzähle anderen Männern von den Gefahren, denen ich begegnet bin, aber um sie hier zu halten, brauchen sie eine Ausbildung und Arbeit.“

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Yacoub, 30, arbeitet drei Jahre lang in den illegalen Goldminen in der Tibesti Region im Tschad. Foto: WFP/Evelyn Fey
Zu wenig Essen

„Wir kennen die Gefahren. Aber wir riskieren es trotzdem und gehen“, sagt Yacoub, ein 30-jähriger Mann, der drei Jahre lang mit zwei Freunden in den illegalen Goldminen in der Region Tibesti im Nordwesten des Tschad gearbeitet hat. „Ich kenne jemanden, der 80 Millionen Francs [rund 150.000 US-Dollar] verdient hat, und das hat uns motiviert, es auch zu versuchen“, fügt er hinzu.

Seine Freunde gingen nach Libyen und seitdem hat er nichts mehr von ihnen gehört. „Mein Vater hatte mir davon abgeraten, weiter nach Norden zu gehen. Als meine Freunde gingen, war ich allein und ging nach Hause zurück“, sagt er.

Yacoub wollte sich um seine alten Eltern kümmern und eine eigene Familie gründen, aber in seiner Provinz Guéra gab es zu wenig zu Essen und keine anständigen Jobs für die Jugend auf dem Land. „Bevor ich in Tibesti in den Goldmienen arbeitete, war ich Bäcker und Bauarbeiter“, sagt er. „Ich habe meinen Eltern jeden Monat Geld geschickt, aber es reichte nur für ein paar Stücke Seife.“

Nach der Rückkehr aus der Mine befürchtete er, seine Familie weiter zu belasten – ein weiterer hungriger Magen am Tisch zu sein.

„Das Dorf war ganz anders, als ich zurückkam – die Menschen hatten sich organisiert, um Nahrungsmittel zu produzieren, Bäume zu pflanzen und Häuser zu renovieren“, erklärt er. „Wenn sie Nahrungsmittel anbauen, essen und verkaufen können, dann brauchen sie ihr Leben nicht im Norden zu riskieren. Sie können hier bleiben.“

Yacoubs Heimatort ist eines von mehr als 200 Dörfern im Tschad, in denen WFP die Menschen dazu befähigt, sich selbst zu versorgen. Indem WFP die ausreichende Verfügbarkeit etwa von Nahrung, Wasser und Feuerholz sicherstellt, erhalten die Menschen Lebensgrundlagen. Das bewahrt sie davor, ihr Leben in unsicherer Migration zu riskieren.

Letztes Jahr förderte WFP nachhaltige Lebensgrundlagen von 84.000 Menschen in neun Provinzen des Landes.  

Ouaddis der Hoffnung

Wenn man im Westen des Landes Menschen aus der Kanembou-Gemeinde treffen will, muss man sich abseits der Straße in weiße Sandlandschaften mit kleinen Oasen begeben. Diese einsamen Oasen, bekannt als Ouaddis, sind die Lebensader im Hinterland des Tschadsees.

Adam bewässert einige Maispflanzen im Ouaddi von Koumbagri, nicht weit von der Stadt Mao entfernt, wo Frauen die Ernte jede Woche auf dem Markt verkaufen.

“„Ich und einige meiner Verwandten waren schon einige Male im Norden“, sagt er. „Dort oben ist man ein leichtes Ziel für alle möglichen Kriminellen und das Leben ist extrem hart. Man arbeitet lange unter der prallen Sonne, es ist heiß“ – die Temperaturen übersteigen manchmal 45 Grad Celsius – „und es gibt wenig zu trinken.“

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Eine Frau holt Wasser im Gemeinschaftsgarten des Dorfes Bandaro. Foto: WFP/Evelyn Fey
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Photo: WFP/Evelyn Fey

Ali Abderahman, lokales traditionelles Oberhaupt, dem das Ouaddi gehört und der es der Gemeinde zunächst für fünf Jahre geliehen hat, stützt sich auf seinen Stock: „Ich bin seit mehr als 60 Jahren hier und es ist das erste Mal, dass alle unsere Männer hier sind. Sie sind zurück, weil sie den Ouaddi jetzt nutzen können. Indem wir alle zusammenarbeiten, können wir mehr produzieren und wir bauen neue Nahrungsmittel an, die höhere Preise und eine gute Nachfrage auf dem lokalen Markt erzielen“, erklärt er.

„Wir alle müssen uns stärker engagieren, um die strukturellen Ursachen von Hunger und Mangelernährung in der Sahelzone zu bekämpfen. Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass Familien in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse selbst zu decken und dass junge Menschen Zukunftsperspektiven haben“, sagt Claude Jibidar, WFP-Landesdirektor im Tschad. „Wenn wir das nicht tun, werden wir weiterhin mit häufigen Ernährungskrisen konfrontiert sein, der Konflikt wird eskalieren und noch mehr Menschen werden sich auf den Weg nach Norden machen und in der Wüste ihr Leben riskieren. Inmitten des politischen Übergangs im Tschad wäre das besonders gefährlich und wir dürfen das nicht zulassen.“

Mehr Infos zur Arbeit von WFP im Tschad

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