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“Wir haben alles verloren” - Sudanesische Flüchtlinge sehen im Tschad schwierigen Zeiten entgegen

WFP und andere humanitäre Organisationen befürchten, dass gleich mehrere Faktoren die Ernährungslage weiter verschärfen. Die wachsende Zahl Flüchtlinge aus dem Sudan wird durch bevorstehende Regenfälle, knapper werdende Nahrungsmittel in der Zeit zwischen den Ernten und Finanzierungsengpässe noch verstärkt
, Jacques David und Elizabeth Bryant
Aicha Madar fled to Chad with daughter Fatima after armed men set fire to her village in Sudan. Photo: WFP/Jacques David
Aicha Madar floh mit ihrer Tochter Fatima in den Tschad, nachdem bewaffnete Männer ihr Dorf im Sudan in Brand gesetzt hatten. Foto: WFP/Jacques David

Als die Kämpfer in ihr sudanesisches Dorf kamen, floh die 50-jährige Aicha Madar mit ihrer Tochter Fatima und schloss sich Tausenden an, die sich auf den Weg über die Grenze in den Osten des Tschads machten. 

"Die bewaffneten Gruppen haben alles niedergebrannt", sagt Aicha, die mit einer Gruppe anderer Flüchtlinge zusammensitzt und ihre einjährige Tochter auf dem Schoß hält.

"Hier haben wir nichts, denn wir haben dort alles verloren", sagt sie. "Wir gehen nur in den Busch, um Holzbündel zu sammeln und zu verkaufen.

Aicha gehört zu den Zehntausenden von sudanesischen Flüchtlingen, die vor dem jüngsten Aufflammen der Gewalt in ihrer Heimat geflohen sind - eine Zahl, die nach Angaben der Vereinten Nationen auf 270.000 oder mehr anschwellen könnte. 


Die meisten von ihnen sind auf dem Weg in den Südsudan und in den Tschad, Länder, die bereits mit einigen der schlimmsten Ernährungskrisen der Welt zu kämpfen haben. Diese Hungerzahlen könnten jetzt noch weiter ansteigen, da die Unruhen im Sudan den lebenswichtigen grenzüberschreitenden Handel zum Erliegen bringen und die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen lassen. 

Das sind nicht die einzigen Alarmglocken, die läuten. Tausende Flüchtlinge erreichen den Tschad Wochen vor Beginn der mageren Jahreszeit - der Zeit zwischen den Ernten, in denen Nahrungsmittel knapp werden. Schätzungsweise 1,9 Millionen Menschen sind in dieser Zeit von akutem Hunger bedroht. 

Heftige Regenfälle, die etwa zur gleichen Zeit einsetzen, drohen weite Teile der Wüste in Flüsse zu verwandeln, was die Lieferung wichtiger Ernährungshilfe an die Flüchtlinge und andere notleidende Gruppen gefährdet.

"Es ist ein perfekter Sturm", sagt Pierre Honnorat, WFP-Landesdirektor im Tschad.  "Die magere Jahreszeit kommt im Juni. Und die Regenzeit, die all diese Regionen abschneiden wird."

WFP and other humanitarian workers speak to new Sudanese arrivals in Chad. WFP is distributing food, but a funding crunch threatens future assistance. Photo: WFP/Jacques David
WFP-Mitarbeiter*innen und andere humanitäre Helfer*innen sprechen mit Neuankömmlingen aus dem Sudan im Tschad. Das WFP verteilt Nahrungsmittel, aber eine Finanzierungsengpässe bedroht die künftige Hilfe. Foto: WFP/Jacques David

Aufgrund von Finanzierungsengpässen könnte WFP gezwungen sein, die Hilfe für alle Flüchtlinge im Tschad bereits im nächsten Monat einzustellen, fügt Pierre Honnorat hinzu. Dazu gehören mehr als 450.000 Langzeitflüchtlinge im Land - die meisten von ihnen Sudanes*innen. Bereits in diesem Monat war WFP gezwungen, die Zahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen, die es im Land unterstützen wollte, zu halbieren.

"Für sie ist absolut kein Geld da", sagt Honnorat.

Explodierende Preise - sinkende Finanzierung

Die jüngste Zahl Schutzsuchender aus dem Sudan - viele von ihnen Kinder und Frauen wie Aicha - kommen aus den Grenzgebieten. Jetzt könnten sich die Menschen in Not bald von weiter her auf den Weg machen. Viele haben einen kleinen Vorrat an Lebensmitteln mitgebracht, der schnell verschwunden ist.

Der Tschad hat zwar seine Grenze zum Sudan geschlossen, nachdem dort Anfang des Monats Kämpfe ausgebrochen waren, aber Flüchtlinge wie Aicha können immer noch über mehrere Grenzübergänge einreisen. Sie bleiben in der Nähe der tschadischen Grenze zum Sudan und sitzen und schlafen unter Bäumen, die sie kaum vor der sengenden Hitze und Sonne schützen können.

"Wir ziehen es vor, hier zu bleiben und abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt", sagt Ali Adam Ibrahim, der seine sudanesische Heimat verlassen hat, nachdem er von den Zusammenstößen in der Hauptstadt Khartum gehört hatte.

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen  (WFP) versorgt die Neuankömmlinge mit Nahrungsmitteln - genug Sorghum, Hülsenfrüchte, Öl und Salz, um etwa 20.000 Menschen einen Monat lang zu ernähren. Da jedoch keine neuen Mittel in Sicht sind und die Wahrscheinlichkeit besteht, dass weitere Zehntausende sudanesische Flüchtlinge eintreffen, droht sich die Lage zu verschlimmern.

Ali Adam Ibrahim (forefront) left his homeland after hearing about news of fighting in Sudan's capital, Khartoum. Photo: WFP/Jacques David
Ali Adam Ibrahim (Mitte) verließ sein Heimatland, nachdem er von den Kämpfen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum erfahren hatte. Foto: WFP/Jacques David

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) schätzt, dass in den kommenden Wochen bis zu 100 000 sudanesische Flüchtlinge im Tschad und weitere 170 000 im Südsudan ankommen könnten.

In der Zwischenzeit sind durch die Grenzschließungen wichtige Lebensmittelexporte aus dem Sudan in seine Nachbarländer zum Erliegen gekommen. 

Dies und der Zustrom von Flüchtlingen haben die lokalen Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben. In der Nähe der Grenze zwischen dem Tschad und dem Sudan zum Beispiel ist der Preis für ein Kilo Sorghum innerhalb einer Woche um 50 Prozent gestiegen, berichtet Honnorat vom WFP.

"Das wird sich nicht nur auf die Grenze auswirken", fügt er hinzu. "Es wird den gesamten Osten des Tschad betreffen. Viele Güter wie Getreide und Zucker wurden aus dem Sudan eingeführt".

Honnorat befürchtet, dass in den kommenden Wochen, wenn noch mehr Flüchtlinge kommen und die Regenfälle einsetzen, die ohnehin schon knappen Lebensmittel auf den lokalen Märkten - sowie die Finanzierung für die Ernährungshilfe des WFP - völlig versiegen werden. 

"Heute ist es ein echtes Rennen", sagt er. "Wir müssen sofort Nahrungsmitteln vorpositionieren, denn wir wissen, dass es schrecklich werden wird. Aber wir wissen nicht, wie viele Menschen kommen werden". 




Das WFP benötigt dringend mindestens 145,6 Millionen US-Dollar, um die neu angekommenen und die bereits im Tschad lebenden Flüchtlinge sowie die aufnehmenden Gemeinschaften weiter zu unterstützen. Andernfalls wird sich ihre Ernährungssicherheit - und ihre Sicherheit - sofort verschlechtern.



 

Mehr Infos zur Arebit des WFP im Tchad

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