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Zukunft für Rohingya: Geflüchtete weigern sich, die Hoffnung zu verlieren

Drei Jahre nachdem rund 750.000 Rohingya in Bangladesch Zuflucht gesucht haben, erzählen vier von ihnen, worauf sie noch hoffen und womit sie zu kämpfen haben.
, WFP Deutsch
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Sawiid spielt mit seiner jüngsten Tochter in deren Unterkunft in Cox's Bazar. Er arbeitete früher als humanitärer Helfer in Myanmar und hilft jetzt freiwillig bei der WFP-Ernährungshilfe im Camp. Foto: WFP/Nihab Rahman

Sawiid arbeitete für eine humanitäre Organisation, als seine Familie ihn vor drei Jahren anrief: Sein Haus und sein Dorf in Myanmar wurden niedergebrannt. Als er nach Hause zurückkehrte, waren seine Brüder und ihre Familien bereits nach Bangladesch aufgebrochen.

„Am Anfang war ich nicht mutig genug, um zu fliehen, weil ich vier Kinder habe. Zwei davon sind sehr jung. Ich wusste nämlich, wie weit wir gehen mussten –die meisten anderen wussten es nicht. Sie mussten von einem Berg zum anderen Berg, von einem Fluss zum anderen Fluss fliehen. Manchmal mussten sie ihre Babys, ihre Frauen, manchmal ihre Mütter oder Väter tragen."

„Aber die Situation in Myanmar wurde nicht besser. Alles wurde abgeriegelt. Es gab keine Arbeit mehr. Ich habe mich wirklich geärgert, weil ich dachte, dass es ohne Haus und ohne Arbeit sinnlos ist, zu bleiben", sagt Sawiid.

Sawiid und seine Familie leben seit ihrer Ankunft im September 2017 in den Rohingya-Flüchtlingscamps in Cox's Bazar, Bangladesch. Heute arbeitet Sawiid als Freiwilliger für WFP, um andere Geflüchtete über Hilfsprogramme und COVID-19 zu informieren.

"Ich bin wirklich glücklich, hier für das UN World Food Programme (WFP) zu arbeiten. Wir verhindern, dass Menschen Risiken eingehen. Das ist sehr wichtig, weil es — ich kann es in zwei Worten sagen — Leben rettet."

„Wir hoffen, dass wir eines Tages nach Hause gehen können. Unsere Älteste ist fast 12 Jahre alt. Wäre ich in Myanmar, wäre sie jetzt vielleicht in der 9. oder 10. Klasse. Jetzt hat sie ihre Bildungschancen völlig verpasst. Ich grüble ständig, wie wir unseren Kindern eine gute Bildung ermöglichen können — nicht nur meinen Kindern, sondern all den hunderttausenden Rohingya-Kindern, die ihre Bildungsmöglichkeiten verloren haben."

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Jeyabol zeigt das Foto, das ihm eine Auszeichnung beim „Pink Lady Food Photographer of the Year"- Wettbewerb einbrachte. Jeyabol ist seit letztem Jahr WFP-Storyteller. Foto: WFP/Nihab Rahman

„Ich habe damals noch in Myanmar von WFP gehört. Wir sahen den Reis, der von WFP verteilt wurde, aber nie irgendwelche Gesichter," sagt Jeyabol.

Vor drei Jahren kam er mit seiner Familie nach Bangladesch. Heute leben er, seine Frau und seine Tochter im größten Flüchtlingscamp der Welt. Er ist Teilnehmer des WFP-Projekts „Storytellers", das weltweit junge Menschen, die in Krisen leben, befähigt, ihre eigenen Geschichten selbst zu erzählen.

„Seit wir hier leben, hat uns WFP sehr geholfen. Leute von WFP kamen zu uns in die Unterkunft und baten uns, 15–20 Bilder einzureichen. Ich wusste nicht, wie man ein Foto macht. Ich habe gelernt, wie man fotografiert, wie man die Kamera hält und wie man Videos aufnimmt. Jetzt weiß ich, wie man eine Bildunterschrift schreibt und wie man sie auf Facebook oder Twitter oder sonst wo postet."

„Hier lebt eine ältere Frau, die außer einer jungen Enkelin keine Verwandten hat. Dieses Mädchen trug immer Wasser vom Brunnen hierher und gab es ihrer Großmutter. Eines Morgens wachte ich um 8 Uhr morgens auf und sah, wie sie wieder Wasser brachte. Ich machte circa fünf Fotos. Dann schickte ich sie an WFP-Storytellers."

Kürzlich begann Jeyabol, sich freiwillig für WFP zu engagieren, um Bewusstsein für die Risiken von COVID-19 zu schaffen, die in den Lagern weiterhin bestehen. Er will den Menschen helfen, zu verstehen, wie sie sich selbst und andere schützen können.

„Es ist sehr schwer, in den Lagern zu leben, in denen wir jetzt sind. Ich dachte mir, wenn selbst ich als Freiwilliger mich nicht vollständig vor COVID-19 schützen kann, wie sollen dann alle anderen Rohingya hier sicher leben?"

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Jeyabol mit seiner Frau und seiner Tochter. „Seit ich zu Storytellers kam, dachte ich mir, dass ich meine Tochter zu einer Storytellerin für die Rohingya machen werde. Wenn ich meine Tochter einmal unsere Geschichte erzählen soll, muss sie eine gute Ausbildung erhalten", sagt Jeyabol. Foto: WFP/Nihab Rahman

„Als ich herkam, dachte ich, dass ich nach vier oder fünf Monaten zurückkehren würde. Alles, was wir in Myanmar hatten, wurde zerstört. Nachdem ich als Storyteller zu WFP gegangen bin, haben sich meine Hoffnungen geändert. Als ich meine Geschichte erzählte, wurde mir klar, dass es hier nicht nur um mich geht, sondern um viele andere Menschen. Wenn ich ihre Geschichten mit allen teilen kann, wäre das gut für sie. Als Storyteller hoffe ich nun, so vielen Menschen zu helfen, wie ich kann."

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Rokeya, links, und Minara, rechts, sind Freunde aus zwei verschiedenen Generationen und Nachbarinnen. Obwohl sie unterschiedlich aufgewachsen sind, kämpfen sie heute für die gleichen Dinge. Foto: WFP/Nihab Rahman

Minara und Rokeya stammen aus zwei verschiedenen Generationen von Rohingya-Frauen, aber aus demselben Dorf in Myanmar. Drei Jahre nach ihrer Flucht aus ihrer Heimat befinden sich ihre Unterkünfte im gleichen Teil des Flüchtlingscamps. Und beide sind zu Führerinnen in ihrer Gemeinschaft geworden.

„Das Leben war sehr schön in Burma", sagt die 70-jährige Rokeya. „Wir lebten glücklich. Aber ich habe meine Mutter in meiner Kindheit verloren, so dass ich nicht studieren konnte. Ich musste arbeiten, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen und meine Kinder und meine Familie zu versorgen. Ich möchte, dass meine Söhne und Töchter eine Ausbildung erhalten. Ich möchte Gleichheit sehen."

„Ich ging in Myanmar bis zur 10. Klasse zur Schule", sagt die 29-jährige Minara. „Jetzt unterrichte ich hier Mädchen. Am Anfang war das für die Menschen in der Gemeinschaft nicht einfach hinzunehmen."

„In Myanmar gab es keine weiblichen Rohingya-Führerinnen. Jetzt, nachdem ich nach Bangladesch gekommen und ein Flüchtling bin, bin ich auch eine Führungspersönlichkeit und möchte der Welt zeigen, dass alle Frauen die gleichen Rechte haben. Ich möchte ihnen eine Welt des Friedens zeigen."

„Bildung ist sehr wichtig für Rohingya-Frauen", sagt Rokeya. „Wissen ist ein großer Schatz. Es ist sehr wertvoll. Ich gehe zu den Treffen, wo es um das Coronavirus geht. Es leben viele Frauen in meinem Teil des Camps, ich gebe ihnen Ratschläge wie: ,Streitet euch nicht, seid friedlich, haltet alles sauber und tut nichts, was euch krank machen könnte‘."

"[Aber] wenn unsere Kinder fragen, wie ihr eigenes Land aussieht, fühle ich mich schlecht. Sie können sich nicht mehr erinnern. Die Kinder wissen nicht, wie ihr eigenes Land aussieht."

„Unsere Söhne und Töchter kennen Burma nicht", sagt Minara. „Ich zeige ihnen oft Fotos von unseren Häusern und sage ihnen: ,Das ist Burma. Das ist unsere Heimat.‘ Zu der Zeit, als ich aus Burma kam, war meine Tochter 6 Jahre alt, jetzt ist sie 9. Bis heute konnte sie die Schule nicht besuchen."

„Ich will, dass meine Tochter Anwältin wird, weil ich nichts für ihre Rechte tun konnte. In meinem Alter kann ich nicht mehr studieren. Ich will, dass meine Tochter Jura studiert, damit sie tun kann, was sie will."

Die WFP-Hilfe für die geflüchteten Rohingya wird durch die Regierung von Bangladesch und unsere großzügigen Unterstützer ermöglicht, darunter die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich, die Europäische Union, Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Australien, Japan und Kanada.