“Wenn es genug Essen gibt, essen wir zweimal am Tag, wenn nicht, essen wir nur einmal. Gerade essen wir nur einmal."
„Ich weiß, wie man mit Geld umgeht, ich wusste, wie man 'Madan Sara' macht", erzählt Adeline Lazarre. Sie ist eine junge Mutter von vier Kindern und Teilnehmerin des Resilienzprojekts von WFP in Les Cayes im Süden des Landes. „Madan Sara" ist ein haitianischer Ausdruck für den Handel in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince.
Nach dem Erdbeben im letzten Jahr konnte Adeline durch die Bargeldhilfe von WFP wieder auf die Beine kommen: „Ich habe hier [im Süden] Bananen gekauft, um sie in Port-au-Prince weiterzuverkaufen, aber das konnte ich nur zwei Mal machen. Wegen der Sicherheitslage habe ich Geschäft und Geld verloren, und jetzt muss ich hierbleiben, ohne etwas tun zu können.“
Der Hunger, der die Hälfte der haitianischen Bevölkerung betrifft, die Inflation, die hohen Lebensmittel- und Treibstoffpreise und die sich verschlechternde Sicherheitslage treibt Menschen an den Rand der Existenz. Doch der Hunger in Haiti wird zunehmen, nicht zuletzt, weil der Krieg in der Ukraine die weltweite Versorgung beeinträchtigt und die zunehmende Bandenkriminalität den Warenverkehr im Land einschränkt. Der Inselstaat ist besonders anfällig für Krisen Schocks auf den globalen Nahrungsmittel- und Brennstoffmärkten, da er 70 Prozent seines Getreides importiert. Haiti hat bereits eine Inflation von 26 Prozent zu verzeichnen, die höchste in der Region.
„Lebensmittel kosten jetzt viel mehr, da man mit der Summe von früher nicht mehr die gleichen Lebensmittel kaufen kann. Wenn es genug Essen gibt, essen wir zweimal am Tag, wenn nicht, essen wir nur einmal. Gerade essen wir nur einmal", erklärt Adeline.
Angesichts der zunehmenden Bandengewalt in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince verlieren viele Haitianer*innen ihre Lebensgrundlage. „Wir beobachten einen deutlichen Anstieg des Hungers in der Hauptstadt sowie im Süden des Landes, wobei Port-au-Prince am stärksten betroffen ist. Es sind nicht nur diejenigen, die direkt von der Gewalt betroffen sind. Viele Menschen, die ihre Produkte in der Hauptstadt verkaufen oder Handel treiben, haben ihr Geschäft verloren, weil sie nicht sicher dorthin gelangen können", erklärt Jean-Martin Bauer, WFP Landesdirektor für Haiti.
Ein Jahr lang waren 3,5 Millionen Haitianer*innen im südlichen Teil von Port-au-Prince aufgrund einer vollständigen Blockade der Zugangsstraße zur südlichen Halbinsel von Märkten, grundlegenden Dienstleistungen und wichtiger humanitärer Hilfe abgeschnitten. Die jüngsten Zusammenstöße von Banden haben nun auch den nördlichen Zugang eingeschränkt.
„Die Situation ist für Mütter und Väter noch schwieriger geworden. Wenn wir keine Hilfe bekommen würden, dann wüssten wir nicht, was wir tun sollten", sagt Adeline. Nicht nur die haitianischen Familien sind von der zunehmenden Unsicherheit betroffen. Die äußerst instabile Lage beeinträchtigt auch die humanitäre Unterstützung und gefährdet die Versorgung mit wichtigen Hilfsgütern, auf die viele Haitianer*innen angewiesen sind.
Unterstützung der humanitären Gemeinschaft
Da kriminelle Banden die Straßen nach Port-au-Prince blockieren, bietet WFP humanitären Helfer*innen Unterstützung an, um sicherzustellen, dass sie ihre Arbeit fortsetzen können. WFP ermöglicht lebenswichtige Unterstützung durch See- und Luftverkehrsdienste von der Hauptstadt in den Norden und dem von Erdbeben betroffenen Süden.
Während das WFP-Schiff "Linda D" humanitäre Lastwagen und Fracht sicher transportiert, bleibt der Hubschrauber des vom WFP betriebenen United Nations Humanitarian Air Service (UNHAS) die einzige Möglichkeit für humanitäre Helfer*innen, um sicher in und aus der Hauptstadt sowie im Land zu reisen.
„Die Banden kontrollieren jetzt alle wichtigen Straßen in und aus der Hauptstadt. Die einzige sichere Möglichkeit für die humanitäre Gemeinschaft ist der Hubschrauber, doch uns fehlen die Mittel, um diesen Dienst fortsetzten zu können. Das gefährdet die humanitären Einsätze im ganzen Land", sagt Bauer.
Nach dem Erdbeben von 2021 und dem Verlust des Straßenzugangs zur Hauptstadt ist der Bedarf nach UNHAS Lufttransporten drastisch gestiegen. Jedoch steht lediglich einen Hubschrauber zur Verfügung, da WFP aufgrund von Finanzierungsengpässen auf sein zweites Flugzeug verzichten muss.
Die Arbeit von UNHAS ist unverzichtbar, um die humanitäre Arbeit auf Haiti fortzusetzen. WFP benötigt dringend 3,5 Millionen USD, um humanitäre Akteur*innen Lufttransport bieten zu können, um die humanitären Bedarfe des Landes zu decken. Ohne eine ausreichende Finanzierung droht die Einstellung des humanitären Einsatzes zu Ende Juli.
Im Jahr 2022 unterstützen unsere Partner BHA, Kanada, ECHO, Frankreich, Deutschland, Japan, die Schweiz und UNCERF WFP bei der Bereitstellung von See- und Luftverkehrsdiensten für die humanitäre Gemeinschaft.