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Südliches Madagaskar: Regierung und UN schlagen Alarm wegen drohender Hungersnot und drängen zum Handeln

WFP/Krystyna Kovalenko, Notverteilung von warmen Mahlzeiten an die ältere Bevölkerung und mangelerernährte Kinder in den von der Dürre betroffenen Regionen im Süden Madagaskars.
Um ein Worst-Case-Szenario abzuwenden, müssen dringend die Ernährungshilfe und die Unterstützung zur Sicherung landwirtschaftlicher Lebensgrundlagen aufgestockt werden

ANTANANARIVO, MADAGASKAR – Mit jedem Tag, der vergeht, stehen mehr Menschenleben auf dem Spiel, da der Hunger im Süden Madagaskars immer stärker um sich greift. Dies ist die eindringliche Warnung zweier Organisationen der Vereinten Nationen, der Food and Agriculture Organization (FAO) und des UN World Food Programme (WFP). Sie möchten die internationale Aufmerksamkeit auf eine humanitäre Krise lenken, die unsichtbar zu werden droht.

Etwa 1,14 Millionen Menschen im Süden Madagaskars leiden an einem hohen Maß an akutem Hunger. Davon befinden sich fast 14.000 Menschen in Phase 5 – der höchsten und schlimmsten Kategorie der fünfstufigen Skala der sogenannten „Integrated Food Security Phase Classification“ (IPC). Sie stellt den Katastrophenfall dar.



Dies ist das erste Mal, dass in Madagaskar Menschen in Phase 5 erfasst wurden, seitdem die IPC-Methodik 2016 eingeführt wurde. Wenn jetzt keine dringenden Maßnahmen ergriffen werden, wird sich die Zahl der Menschen in der Kategorie "Katastrophe" in der kommenden "mageren Jahreszeit", der Zeit zwischen den Ernten, in der Vorräte knapp werden, welche im Oktober beginnt, voraussichtlich verdoppeln.



Dürre, Sandstürme, pflanzliche und tierische Schädlinge und Krankheiten sowie die Auswirkungen von COVID-19 haben dazu geführt, dass bis zu drei Viertel der Bevölkerung im am stärksten betroffenen Distrikt Amboasary Atsimo mit schlimmen Folgen konfrontiert sind. Die Rate der akuten Mangelernährung hat einen alarmierenden Wert von 27 Prozent überschritten und verursacht irreversible Schäden bei Kindern.



"Es geht nicht mehr darum, wie schlimm es ist – es ist extrem schlimm. Kinder hungern, Kinder sterben. Ich traf eine Mutter mit einem 8 Monate alten Kind, das aussah, als wäre es erst 2 Monate alt. Sie hatte bereits ihr älteres Kind verloren", sagte Amer Daoudi, Senior Director of Operations bei WFP, der kürzlich eines der am schlimmsten betroffenen Gebiete, Sihanamaro, besuchte. "Wir erleben bereits, dass ganze Dörfer verlassen werden und Bewohner*innen in die städtischen Zentren ziehen. Das übt zusätzlichen Druck auf eine ohnehin schon fragile Situation aus."



Die schlimmste Dürre seit vier Jahrzehnten, die sich über drei aufeinanderfolgende Jahre hinzieht, hat die Ernten vernichtet und den Menschen den Zugang zu Nahrung erschwert. Hinzu kommen die jahrelange Abholzung und die daraus resultierende Erosion – die nun durch den Klimawandel noch verstärkt wird – die die Umwelt verwüstet haben, und beispiellose Sandstürme, die große Teile des Ackerlandes in Ödland verwandelt haben.



Die Agrarsaison 2019/20 sah einen dramatischen Rückgang der Nahrungsmittelproduktion. Dies wurde dann durch ein weiteres Jahr mit geringen Niederschlägen in 2020/2021 verschärft, das das fünfte Jahr mit unterdurchschnittlichen Regenfällen im halbtrockenen Süden der Insel war.



Die Ernte von Pflanzen wie Reis, Mais, Maniok und Hülsenfrüchten wird 2021 voraussichtlich weniger als die Hälfte des Fünf-Jahres-Durchschnitts betragen, was die Vorbedingungen für eine lange und schwere „magere Jahreszeit“ schafft. 



"Eine kontraintuitive Tatsache ist, dass 95 Prozent der Menschen, die im Süden Madagaskars von akutem Hunger betroffen sind, von Landwirtschaft, Viehzucht und Fischfang leben. Jahrelange Missernten, getrieben von einer Dürre nach der anderen, und wetterbedingte Schäden in der Fischerei haben die Menschen an den Abgrund gebracht. Wir müssen dringend Maßnahmen ergreifen, um den Viehbestand am Leben zu erhalten und Saatgut, Bewässerung, Werkzeuge und Fischereiausrüstung bereitzustellen, um die lokale Nahrungsmittelproduktion und -verfügbarkeit schnell zu steigern – aber wir dürfen es nicht vernachlässigen, längerfristig klimaresistentere landwirtschaftliche Lebensgrundlagen aufzubauen", sagte Dominique Burgeon, Direktor für Notfälle und Resilienz der FAO.



Angesichts des erheblichen Verlusts von Lebensgrundlagen und des eingeschränkten Zugangs zu Nahrungsmitteln für gefährdete Haushalte ist die Versorgung von Bäuer*innengemeinschaften mit Saatgut, Werkzeugen und anderen wichtigen Betriebsmitteln unerlässlich, um die lokale Nahrungsmittelproduktion anzukurbeln, Einkommen zu generieren und Widerstandsfähigkeit aufzubauen. Diese Unterstützung der Landwirtschaft und der ländlichen Lebensgrundlagen ergänzt die Ernährungsnothilfe und verhindert, dass Familien ihre Produktionsmittel wie landwirtschaftliche Geräte und sogar Kochutensilien verkaufen, nur um zu überleben.



Ressourcen sind dringend benötigt, um Leben zu retten



Die humanitären Nahrungsmittelvorräte in Madagaskar gehen zur Neige. WFP liefert Hilfsgüter, aber der Zugang zu den am schlimmsten betroffenen Gebieten wird durch die schlechte Infrastruktur und das schwache Straßennetz erschwert. Alle Flüge in den Inselstaat sind aufgrund der Die COVID-19-Beschränkungen gestoppt, was bedeutet, dass lebenswichtige humanitäre Güter nur noch per Boot transportiert werden können und die Vorlaufzeiten für die Umwandlung von Spendengeldern in humanitäre Hilfe stark zugenommen haben. 



Seit Oktober 2020 haben die Regierung und WFP schrittweise rund 750.000 Menschen durch allgemeine Nahrungsmittelverteilungen in Kombination mit der Verteilung von angereicherter Spezialnahrung zur Vorbeugung von moderater akuter Mangelernährung bei Kindern unter fünf Jahren sowie schwangeren und stillenden Frauen unterstützt. Doch die Hungerkrise hat sich schnell ausgeweitet und diese aktuelle Unterstützung reicht nicht aus, um die Auswirkungen und das Risiko einer Hungersnot zu mildern. WFP benötigt in den nächsten sechs Monaten dringend 74 Millionen US-Dollar, um eine Katastrophe im Süden Madagaskars abzuwenden.



Die Regierung und FAO haben inzwischen die Lebensgrundlagen von rund 20. 000 Bäuer*innenfamilien (etwa 160.000 Menschen) mit schnell wachsenden Gemüsesamenpaketen sowie Schulungen in dürreresistenten Anbaustrategien und der Reduzierung von Nahrungsmittelverlusten nach der Ernte unterstützt. Gleichzeitig hat die FAO Futtermittel und Gesundheitspakete verteilt, um Geflügel, Ziegen und Schafe am Leben zu erhalten. Selbst eine kleine Steigerung der Nahrungsmittelproduktion in den Haushalten kann für gefährdete Familien einen großen Unterschied machen, und diese Unterstützung muss deutlich ausgeweitet werden.



Die FAO benötigt dringend 40 Millionen US-Dollar, um weitere 225.000 Haushalte von Bäuer*innen in der kommenden „mageren Jahreszeit“ bis zum Ende des Jahres mit lebensrettender Unterstützung zu erreichen.



Die heute veröffentlichte Warnung von FAO und WFP kommt inmitten der wachsenden internationalen Besorgnis über die zunehmende akute Ernährungsunsicherheit. Der jüngste Globale Bericht über Ernährungskrisen (Global Report on Food Crises 2021) verstärkt die Dringlichkeit weiter. Als Reaktion auf den Aufruf von UN-Generalsekretär António Guterres zur internationalen Solidarität, um Hungersnöte in diesem Jahr zu bekämpfen (#FightFamine), haben FAO und WFP zu 5,5 Milliarden US-Dollar an dringenden Mitteln für humanitäre Ernährungshilfe und die Unterstützung von Lebensgrundlagen aufgerufen.





Video in Broadcast-Qualität finden Sie hier und Fotos hier.

 

 

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Das UN World Food Programme (WFP) ist Träger des Friedensnobelpreises 2020. Wir sind die größte humanitäre Organisation der Welt, retten Leben in Notfällen und ebnen mit Ernährungshilfe den Weg zu Frieden, Stabilität und Wohlstand für Menschen, die von Konflikten, Katastrophen und den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind.

Themen

Madagaskar Krisen Gesicherte Ernährung FAO, IFAD & WFP

Kontakt

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