Wer finanziert die größte humanitäre Organisation der Welt? Deutschland!
Obwohl weltweit genügend Essen für alle produziert wird, hungern immer noch 821 Millionen Menschen. Das UN World Food Programme (WFP) kämpft auch mit deutscher Hilfe für eine Welt ohne Hunger bis 2030 und erreicht jedes Jahr mehr als 83 Millionen Bedürftige.
Ob in Kriegen wie im Jemen oder Syrien, nach Naturkatastrophen wie in Mosambik oder in komplexen Krisen wie in der Demokratischen Republik Kongo: WFP rettet Leben in Notfällen und schafft Grundlagen für eine nachhaltige Zukunft. Letztes Jahr haben wir 87 Millionen Menschen in 83 Ländern mit Ernährungshilfe erreicht. Doch das ist nur mit starken Partnern möglich. Wer also stützt die Hilfe für Menschen in Not?
Nach den Vereinigten Staaten von Amerika war Deutschland 2019 der zweitgrößte Geber insgesamt für WFP. Als Deutschlands größter UN-Partner erhielt WFP im Jahr 2019 insgesamt 791 Millionen Euro vom Auswärtigen Amt (AA), dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem Freistaat Bayern. Ohne Deutschland könnte WFP nicht so viele Leben retten und die Hungerursachen nicht so effizient und effektiv bekämpfen. Darauf macht WFP aktuell gemeinsam mit dem Schauspieler Daniel Brühl über eine landesweite Plakatkampagne aufmerksam.
Schnelle Hilfe in der Not und die Hungerursachen langfristig bekämpfen
Beides ist notwendig, wenn wir eine Welt ohne Hunger — das 2. Ziel für Nachhaltige Entwicklung — bis 2030 erreichen wollen. Und beides ermöglicht Deutschland: Die Unterstützung des AA in Höhe von knapp 520 Millionen Euro floss letztes Jahr in die lebensrettende Not- und Ernährungshilfe in 37 Ländern. Mit weiteren 270 Millionen Euro des BMZ konnte WFP die Ursachen des Hungers bekämpfen und Betroffene in mehr als 20 Ländern widerstandsfähiger gegen zukünftige Schocks machen.
In der Fachsprache heißt diese immer stärkere Verbindung von akuter Nothilfe und langfristiger Entwicklungszusammenarbeit sowie sozialem Zusammenhalt „Humanitarian-Development-Peace Nexus". Dieser stärkeren Verzahnung haben sich auch WFP und Deutschland verschrieben. In vielen der größten Hungerkrisen der Welt benötigen die Menschen komplexe Hilfe:
Jemen
Der Jemen ist mit Abstand die größte Hungerkrise der Welt. Rund 29 Millionen Menschen leben in dem Bürgerkriegsland, 20 Millionen von ihnen leiden Hunger. In seinem weltweit größten Einsatz leistet WFP monatlich Ernährungshilfe für mehr als 12 Millionen Bedürftige. Mit der Unterstützung des AA in Höhe von 45 Millionen Euro konnte WFP die Bedürftigsten mit Notrationen aus Getreide, Hülsenfrüchten, Pflanzenöl, Zucker und Salz oder Bargeldtransfers, etwa in Form elektronischer Gutscheine, unterstützen. Einer von ihnen ist der 40-jährige Salem, der mit seiner Tochter Fatima und seinem Sohn Abdullah (siehe Foto) vor eineinhalb Jahren vor den Kämpfen in Hodeidah nach Aden fliehen musste. Mit den monatlichen Bargeldtransfers von WFP kann die Familie jetzt Essen kaufen und hat wieder genügend Geld für die Schule übrig.
Genauso wichtig wie die Nothilfe sind langfristigen Investitionen in die Lebensgrundlagen und Widerstandsfähigkeit der Menschen, die unter den Folgen des anhaltenden Konflikts leiden. Rund 25 Millionen Euro des BMZ ermöglichten 2019 in diesem Sinne etwa sogenannte Food Assistance for Assets (FFA) oder Food Assistance for Training (FFT). In FFA-Programmen erhalten Bedürftige WFP-Ernährungshilfe, wenn sie im Gegenzug nachhaltige Infrastruktur für ihre Gemeinschaften (wieder)aufbauen. Letztes Jahr waren das zum Beispiel 220 Straßen, 120 Bewässerungssysteme, 40 Schulen und andere öffentliche Gebäude und 20 Projekte zur Landaufbereitung. FFT-Programme sind ähnlich, nur besuchen Bedürftige im Gegenzug Trainings. Im letzten Jahr erhielten etwa 700 Frauen Lese-, Schreib- und Mathematikunterricht und lernten schneidern.
Syrienkrise
Nach neun Konfliktjahren wissen in Syrien 6,6 Millionen Menschen nicht, woher ihre nächste Mahlzeit kommt. Weitere 2,6 Millionen drohen, in den Hunger abzurutschen. Rund 5,6 Millionen Syrer*innen sind in die fünf Nachbarstaaten Türkei, Libanon, Jordanien, Ägypten und Irak geflohen und viele von ihnen sind zum Überleben auf Ernährungshilfe angewiesen.
Insgesamt hat Deutschland 2019 mit 318,5 Millionen Euro des AA und 49,1 Millionen Euro des BMZ die meisten Mittel für die WFP-Hilfe in Syrien und den fünf Nachbarstaaten zur Verfügung gestellt. Als größter Geber für die WFP-Nothilfe in Syrien ist das AA entscheidend dafür, dass jeden Monat mehr als 4,5 Millionen Bedürftige Notrationen an 900 Verteilpunkten im Land erhalten.
In Syriens Nachbarstaaten Ägypten, Irak, Jordanien und Libanon geht die AA-finanzierte Nothilfe mittels Bargeldtransfers, etwa elektronischen Gutscheinen, in BMZ-finanzierte Programme wie soziale Sicherungsnetze, Jobtrainings und Resilienzförderung über. Mit beiden erreicht WFP monatlich insgesamt mehr als 3,5 Millionen Menschen in den Nachbarländern. Wichtig ist, dass dazu nicht nur Geflüchtete zählen, sondern auch Bedürftige in den aufnehmenden Gemeinden. Geflüchtete Syrer*innen erhalten zum Beispiel in jordanischen Camps monatliche Bargeldtransfers, mit denen sie Essen kaufen können oder erlernen in FFA-Programmen einen Beruf, etwa in Tischlereien, wo auch Bedürftige aus den aufnehmenden Gemeinden eine Ausbildung erhalten.
Sahelkrise
In den Sahelstaaten Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad leben etwa 80 Millionen Menschen. Diese Zahl wird sich in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich verdoppeln. Fast fünf Millionen Männer, Frauen und Kinder leiden aktuell Hunger. Jede*r vierte lebt in Konfliktgebieten, eines von drei Kindern geht nicht zur Schule und 80% der Böden im Sahel sind degradiert. Alle fünf bis zehn Jahre trifft eine große Dürreperiode die Region und der Klimawandel führt zu immer unregelmäßigerem Regen. Hinzu kommen unsichere Migration und Armut, die viele Jugendliche zu negativen Bewältigungsmechanismen treiben, darunter gewaltsamer Extremismus.
In einer Region mit dieser komplexen Problemlage braucht WFP starke Partner. Mit 22,5 Millionen Euro des AA konnte WFP die direkten Ernährungsbedürfnisse der am stärksten von Hunger gefährdeten Bevölkerungsgruppen mit Bargeldtransfers und Notrationen decken. Gemeinsam mit dem BMZ hat WFP zudem ein einzigartiges Maßnahmenpaket geschnürt, das aufeinander abgestimmt in der gesamten Region bisher fast eine Million Bedürftige erreicht hat und über mehrere Jahre weiterlaufen wird. Das Paket ist einzigartig, weil es gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit von Individuen und Haushalten, Gemeinschaften und Ökosystemen und durch den Aufbau von nationalen Institutionen ganzen Ländern fördert.
Was bedeuten die 52,5 Millionen Euro des BMZ beispielsweise für eine Kleinbäuerin wie Araba im Tschad? Während sie in einem FFA-Projekt nachhaltige Infrastruktur aufbaut, über Umweltschutz lernt und besseren Zugang zu lokalen Märkten erhält, haben ihre Kinder dank gesunder Schulmahlzeiten eine Chance auf Bildung. Ihre Kleinsten bekommen Spezialnahrung gegen Mangelernährung und zwischen den Ernten erhält die Familie Ernährungshilfe.
Trotz dieser wichtigen Schritte werden alleine in den drei zentralen Sahelstaaten Burkina Faso, Mali und Niger in der kommenden „Hungerzeit" von Juli bis August — also der Zeit zwischen dem Verbrauch der letzten und der neuen Ernte — 4,8 Millionen Menschen nicht genügend zu essen haben. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Momentan unterstützt WFP in den drei Ländern knapp 1,5 Millionen Männer, Frauen und Kinder. Bis Jahresende soll die Hilfe auf rund 4,8 Millionen mehr als verdreifachen werden.
Demokratische Republik Kongo
Wie in den anderen großen Krisen verdichten sich in der Demokratischen Republik Kongo gleich mehrere Probleme zu einer ausgedehnten humanitären Krise. Interethnische Konflikte, Vertreibung von Millionen Menschen, geringe internationale Beachtung und die anhaltende Ebola-Epidemie stürzen mehr als 13 Millionen Betroffene in den Hunger. Der Anteil der Menschen, die extremen Hunger leiden, hat sich letztes Jahr verdoppelt. Rund 5 Millionen kongolesische Kinder sind akut mangelernährt und mehr als die Hälfte aller Kinder im Land sind — auch ernährungsbedingt — zu klein für ihr Alter.
Um nicht eine ganze Generation an den Hunger zu verlieren, hat WFP mit den UN-Partnern United Nations Children's Fund (UNICEF) und Food and Agriculture Organisation (FAO) ein gemeinsames Hilfspaket geschnürt. Auch dank der großzügigen Unterstützung in Höhe von 28 Millionen Euro (davon 12,8 für WFP) des BMZ — über die deutsche Entwicklungsbank KfW — können die Organisationen gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt, bessere Landwirtschaft und Lebensgrundlangen sowie ausgewogenere Ernährung fördern. Gegen akute Mangelernährung erhalten etwa Kinder und stillende und schwangere Mütter Spezialnahrung von WFP, wie mit Nährstoffen angereicherte Erdnusspaste. Besondere Erwähnung verdient, dass auch BMZ-Mittel für eine sogenannte „Impact Evaluation" des gesamten Pakets zur Verfügung gestellt wurden, um besser zu verstehen und nachzuweisen, wie die ergriffenen Maßnahmen wirken und an welchen Stellen Anpassungen vorgenommen werden könnten.
Insgesamt erreichte WFP 2019 mehr als 5 Millionen Bedürftigen in der Demokratischen Republik Kongo mit Ernährungshilfe. Sie erhielten auch Nahrungsmittelhilfe und Bargeldtransfers, die unter anderem mit der Förderung von 13 Millionen Euro des AA ermöglicht wurden. Gerade in der Antwort auf den Ebola-Ausbruch zeigt sich, wie wichtig Partnerschaften sind: Der vom AA mitfinanzierte humanitäre Flugservice (United Nations Humanitarian Air Service — UNHAS) von WFP konnte bisher mehr als 467 Tonnen Hilfsgüter für die World Health Organization (WHO) in die betroffenen Ebola-Gebiete bringen. Insgesamt transportiert UNHAS monatlich zwischen 40 und 50 Tonnen Hilfsgüter und befördert knapp 3.000 humanitäre Helfer*innen.
Innovationen
Ohne Innovationen im Kampf gegen den Hunger können wir Zero Hunger bis 2030 nicht erreichen. Um systematisch nach Ideen zu suchen, wurde im Jahr 2015 der WFP Innovation Accelerator (INKA) in München gegründet, der seither von AA, BMZ und dem Freistaat Bayern mitgetragen wird. Der Innovation Accelerator unterstützt WFP, Start-ups, den Privatsektor, andere UN-Organisationen und Nichtregierungsorganisationen dabei, ihre Ideen gegen den Welthunger zu entwickeln und auszureifen. In den letzten vier Jahren wurden so 51 Projekte gefördert, von denen 11 weltweit ausgerollt wurden.
Darunter sind High-Tech-Lösungen wie das Blockchain-Projekt „Building Blocks" oder das Monitoring-Tool „SCOPE CODA". Mit „Building Blocks" kann WFP Daten für die Bargeld- und Gutscheinprogramme effizienter verwalten und Bedürftige können sicher mittels Iris-Scan bezahlen. „SCOPE CODA" optimiert soziale Sicherungsnetze, indem die Ernährungssituation von Familien in Not in Echtzeit beobachtet und entsprechend reagiert werden kann. Aber auch sogenannte Low-Tech-Lösungen wie etwa das Projekt „H2Grow", das Kleinbäuer*innen mittels Hydrokulturen auch unter widrigen Bedingungen den Anbau ermöglicht und Partnerschaften wie etwa die „Farm to Market Alliance", durch die Kleinbauern Zugang zu Märkten erhalten, werden nach erfolgreichen Testphasen mittlerweile in zahlreichen Ländern skaliert.